medien impuls zur gegenwärtigen Reform des Jugendmedienschutzes
Kinder und Jugendliche können künftig effektiver als bisher vor schädlichen Einflüssen durch Medien geschützt werden. Einen Durchbruch zu klaren Regeln, die sich an der Medienrealität orientieren, sehen Experten allerdings noch nicht. Mit diesem Ergebnis endete der Berliner medien impuls am vergangenen Donnerstag (26. November 2015), zu dem die Freiwilligen Selbstkontrollen Fernsehen (FSF) und Multimedia-Diensteanbieter (FSM) gemeinsam eingeladen hatten. Als Ergebnis eines langen offenen Abstimmungsprozesses soll der Jugendmedienschutz 2016 auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt werden. Nachdem die letzte Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) 2010 überraschend an der Ablehnung im nordrhein-westfälischen Landtag gescheitert war, steht das neue Gesetz nun vor der Verabschiedung.
Gute Chancen dafür sieht der stellvertretende FSM-Geschäftsführer Martin Drechsler, denn die 2010 von Internetaktivisten geäußerten Zensurvorwürfe seien verstummt, auf der anderen Seite enthalte der JMStV-Entwurf durchaus eine Reihe von Regelungen, die zu einer Verbesserung des Jugendschutzes beitragen könnten. So würden die Selbstkontrollen gestärkt, sie könnten zum Beispiel in Zukunft die Eignung von Filtersystemen prüfen. Hierbei biete der Gesetzentwurf mehr Spielraum – z.B. könnten Filtersysteme anerkannt werden, die auf bestimmte technische Übertragungswege oder Endgeräte wie das Smart-TV abgestimmt seien. Außerdem bestehe die Möglichkeit, die Funktionsfähigkeit und Akzeptanz neuer Systeme in Modellversuchen auszuprobieren.
FSF-Geschäftsführer Prof. Joachim von Gottberg sieht weiterhin einiges an Konfliktpotenzial in der im Grundgesetz festgelegten Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Bislang sei der Jugendschutz für Kino, DVD und Computerspiele auf Trägermedien in einem Bundesgesetz, dem Jugendschutzgesetz (JuSchG), geregelt, während für elektronisch verbreitete Inhalte, also TV und Internet, die Zuständigkeit bei den Ländern liege. Eigentlich hätten sich Bund und Länder auf ein optimales Zusammenspiel beider Gesetze einigen müssen, das sei aber bisher nicht gelungen. Dies betreffe vor allem die gegenseitige Anerkennung von Prüfergebnissen von FSK und FSF. Der Gesetzentwurf der Länder schaffe dafür eine Regelung, die immerhin mit ein wenig gutem Willen auf allen Seiten funktionieren könnte. Umstritten sei allerdings, ob dies ohne Änderung des Jugendschutzgesetzes rechtlich möglich sei.
Für die FSK sieht deren Geschäftsführerin Christiane von Wahlert hier nur wenig Bewegungsspielraum. Die Regelung im Gesetzentwurf stelle allenfalls eine „Behelfsbrücke“ über die „Territoriengrenzen“ der beiden unterschiedlichen Rechtsgebiete dar. Das löste scharfen Widerspruch bei Claudia Mikat, der Geschäftsführerin Programmprüfung und hauptamtlichen Vorsitzenden der FSF-Prüfausschüsse, aus: „Wenn man in diesen Kategorien denkt, dreht man sich immer nur im Kreis.“ Mikat erkennt durchaus „Chancen für eine große Lösung“, an der nun weiter zu arbeiten sei. Aus Sicht der Landesmedienanstalten riet deren Bereichsleiterin Jugendmedienschutz, Isabell Rausch-Jarolimek, auf die langjährige Expertise der FSF ebenso zu vertrauen wie auf die der FSK.
Bilder sind per Klick vergrößerbar.
Auf der praktischen Ebene ist die Zusammenarbeit zwischen FSK und FSF bereits auf einem guten Wege: Schon im Januar 2016 beginnt unabhängig von der Gesetzesnovelle ein Pilotprojekt zum Austausch von Datenbanken und Prüfergebnissen von FSK und FSF.
All dies seien Schritte in die richtige Richtung, lobte die RTL-Jugendschutzbeauftragte Daniela Hansjosten. Doch um den Unternehmen ihre Arbeit zu erleichtern, forderte sie eine „große Lösung, und das nicht erst in fünf Jahren“. Auch eine Europäisierung des Jugendschutzes müsse früher oder später in Angriff genommen werden, mahnte Rechtsanwalt Thorsten Feldmann. Der nun bevorstehende wichtige Entwicklungsschritt in Deutschland sei „auch international ein guter Baukasten“.
Bilder sind per Klick vergrößerbar.
Große Fortschritte sehen die Experten in der Entwicklung technischer Jugendschutzlösungen. „Lernende Algorithmen werden immer besser“, sagte Stephan Dreyer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hans-Bredow-Institut. Der neue JMStV könne nicht alle Probleme lösen, „aber das Drehen an technischen Stellschrauben erleichtern“. Dr. Rolf Bardeli vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme stimmte ihm zu: „Schon jetzt funktionieren Filterlisten, die von Hand geschrieben werden, deutlich schlechter als vom Computer erstellte.“
Bilder sind per Klick vergrößerbar.
Weitere Informationen zur Veranstaltung:
Bildstrecke im Blog
Pressemitteilung auf der FSF-Website
medien impuls-Veranstaltungsseite auf der FSF-Website