Instagram und ich, wir waren noch nie besonders dicke Freundinnen. Ich würde eher sagen, wir waren sowas wie eine unklare On-Off-Beziehung, nie ganz sicher, was man am anderen hat und ob man so weiter machen will wie bisher. Normalerweise bewege mich bei Insta in einer Familienblogger-Blase: gern bedürfnisorientiert, ein bisschen öko, ein bisschen Zero Waste und auch mal politisch. Aber vor allem: nett, unkompliziert, respekt- und niveauvoll. Und ich wurde dort bisher oft und gerne inspiriert, informiert oder auf Rezepte und spannende Bücher aufmerksam gemacht. Aktuell gehe ich allerdings wieder stark auf Distanz – denn zurzeit finden sich auf Instagram vor allem zwei Dinge: schlechte Stimmung und ein immer aggressiveres Kommunikationsverhalten.
Schlechte Stimmung auf allen Ebenen – Corona sei Dank?
Die negative Stimmungspandemie bei Instagram macht sich aus meiner Sicht auf mehreren Ebenen bemerkbar. Da sind zum einen die Bloggenden selbst, die fast über nichts anderes mehr schreiben als darüber, wie überfordert, müde, gestresst oder wütend sie auf das System sind. Die ausgebrannten Influencenden – die sollen nicht auch noch meckern, oder? Zugegeben: warum sollte es Influencerinnen und Influencer anders gehen als allen anderen Eltern, die aktuell zuhause sind und alles gleichzeitig machen müssen. Sie sind auch Eltern im Homeoffice mit Kindern, erschöpft und am Limit. Sie sind wütend und erleben das Gleiche wie wir – und ja, sie sprechen darüber. Das Problem ist nur: am Ende des Tages will man das nicht mehr lesen. Da wollen die meisten eben was anderes hören. Ein ziemlich absurder Anspruch, den man da an diese Welt stellt, aber so ist es eben.
Die aggressive Usergemeinschaft – Meinungsfreiheit ist doch ein Freifahrtschein. Nicht.
Zum anderen sind es die Userinnen und User selbst, die die Stimmung bei Instagram so richtig anheizen. Jede/Jeder möchte seine Meinung zu Impfäußerungen, Corona oder elterlichen Erziehungstipps für zu Hause dazugeben. Doch einige der Kommentare schießen weit über das Ziel hinaus: sie transportieren Wut, Hass und spiegeln Neid und Missgunst wider. Ein Beispiel: Anna vom Account langsam.achtsam.echt hat neulich einen Post über das Thema Impfen und Corona geschrieben. Vermutlich verdaut sie das noch immer. Nachdem sie eine Vielzahl persönlich beleidigender Nachrichten bekommen hatte, musste sie sogar rechtliche Schritte einleiten. Zudem sah sie sich gezwungen, stundenlang Beiträge zu kommentieren und zu moderieren. Wäre es nicht auch vertretbar gewesen, bestimmte Kommentare einfach zu löschen? Kritische Stimmen sehen hier die Meinungsfreiheit eingeschränkt – aber gilt diese auch für Botschaften, die sachlich falsch sind und hetzerisch gegen bestimmte Gruppen gehen? Wohl kaum, schließlich sprechen wir hier von Familienbloggern.
Stichwort „Fuckingstayathome“
Ein latentes Aggressionspotenzial ist übrigens auch in den Botschaften zu beobachten, die direkt oder indirekt an mich als Userin herangetragen werden. Das kann die hundertste Aufforderung sein, zuhause zu bleiben, die sicherlich gut gemeint ist, aber irgendwann nicht mehr gehört werden will. Stichwort: „Fuckingstayathome“.
Mehr denn je gilt: digitale Selbstfürsorge betreiben
Wie kann man nun der schlechten Stimmung auf Insta entgehen? Ein effektiver, wenn auch zugegeben radikaler Weg ist, bestimmten Personen zu entfolgen und damit die hitzige Diskussion um ihre Person auszublenden. Zudem ist es hilfreich, die App ab und zu auch einfach mal auszulassen, das Handy links liegen zu lassen.
Als Medienpädagogin kann ich generell aber vor allem eines raten, egal ob in den Zeiten von Corona oder ob grundsätzlich: digitale Selbstfürsorge zu betreiben. Auf das Bauchgefühl zu hören, ist der erste wichtige Schritt. Tut mir das gut, was ich da mitlese, wie erreichen mich die Botschaften und was macht das mit mir? Bringt mir das was, oder bringt es mich eher auf die Palme? Ich für meinen Teil bin eher ein Mensch, der Instagram aus eskapistischen Gründen nutzt, also flüchten und mal was anderes lesen will – mein Bedürfnis wird hier nicht mehr befriedigt, also bin ich raus. Vorerst.
Wenn man bleiben will und man erlebt hitzige Debatten, dann ist ausschalten trotzdem erstmal der richtige Weg. Durchatmen statt mitmotzen. Und sich dann vor allem auf die Accounts konzentrieren, die auch in schwierigen Zeiten ein guter mentaler Begleiter sind. Welche das sind, das ist natürlich sehr individuell. Hilfreich können besonders für Familien Accounts sein, die konkrete und alltagsnahe Tipps zum Thema Mediennutzung im Allgemeinen oder Medienerziehung für Kinder und Heranwachsende im Besonderen geben – hier eine kleine Auswahl:
@klicksafe
@saferinternet.at
@medially.podcast
@handysektor
@initiative_schau_hin
@kinderdigitalbegleiten
„Ein gutes Mittel gegen zu viel Smartphonezeit sind übrigens kleine Kinder“
Apps, die die eigenen Bildschirmzeiten tracken, können nicht nur in Krisenzeiten helfen, das eigene Nutzungsverhalten nochmal kritischer unter die Lupe zu nehmen. Besonders spannend sind Indikatoren wie „Wie oft entsperre ich mein Handy?“, „Welche Apps nutze ich“ und „Wie oft?“, oder „Wann sind Hochpunkte der Mediennutzung?“ Und je nachdem, wie man das eigene Verhalten bisher wahrnimmt, kann man aus diesen Daten vieles ableiten und etwas ändern. So erkenne ich beispielsweise, welche Apps meine typischen Zeitfresser sind. Bei Insta selbst kann man übrigens unter der Rubrik „Aktivitäten“ ein Zeitlimit definieren, wie lange man die Apps nutzen möchte und es werden auch hier die Nutzungszeiten innerhalb der App abgebildet.
Ein gutes Mittel gegen zu viel Smartphonezeit sind übrigens kleine Kinder zuhause, die sich blitzschnell vom Frühstückstisch entfernen und Mama kurz mit dem Smartphone allein lassen. Und die es dann in kürzester Zeit schaffen, aus Tisch, Stuhl und Kletterbogen im Kinderzimmer einen bedrohlich hohen Turm zu bauen. So macht Insta dich auch fertig.