„Journalisten sind nicht mehr Gatekeeper für unseren Nachrichtenkonsum. Wir sind es selbst.“

Sommerforum Medienkompetenz 2020:

Neugier und Zweifel – Informationskompetenz im Digitalen

 

Am 18. Juni 2020 war es wieder soweit – zusammen mit der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) und in Kooperation mit dem Sender ALEX Berlin fand das Sommerforum Medienkompetenz unter dem Titel: Neugier und Zweifel – Informationskompetenz im Digitalen statt. Erstmalig wurde die Veranstaltung als „Corona-Edition“ ohne Publikum und als digitale Konferenz realisiert. Auf Interaktivität mussten die Zuschauerinnen und Zuschauer jedoch nicht verzichten: über das Online-Fragetool Slido bekamen Interessierte die Möglichkeit, Fragen und Anregungen zum jeweiligen Gesprächsinput zu stellen. Das diesjährige Thema des Sommerforums zeigte sich aktueller denn je. Welche Kompetenzen braucht es konkret, um Nachrichten im Netz zu begegnen und diese einordnen zu können? Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten impliziert der Begriff Informationskompetenz? Und welche Rolle spielen psychologische Subprozesse wie Neugier und Zweifel bei der Auswahl und Beurteilung von Informationen? Zur Beantwortung dieser Fragen wurden Expertinnen und Experten aus verschiedenen Fachbereichen vor Ort und per Videoschalte eingeladen.

 

Herausforderungen digitaler Öffentlichkeiten

Die Relevanz einer digitalen Nachrichten- und Informationskompetenz erläuterte zunächst Dr. Anna-Katharina Meßmer, Leiterin des Projekts Digitale Nachrichten- und Informationskompetenz an der Stiftung Neue Verantwortung. Demnach sind vor allem die differenzierte und verstärkt digitale Mediennutzung sowie die Informationsflut im Netz Herausforderungen digitaler Öffentlichkeiten. Hinzu kommt die zunehmend aktive Rolle von Nutzerinnen und Nutzern. So argumentiert Meßmer: „Journalisten sind nicht mehr Gatekeeper für unseren Nachrichtenkonsum. Wir sind es selbst.“

Als Nutzende und Rezipienten müssen wir uns neue Skills aneignen, die vor allem das Hinterfragen und das kritische Reflektieren von Informationen und Nachrichtenquellen implizieren. Dies sei auch eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen, um Desinformationen erkennen und kompetent begegnen zu können, so Prof. Dr. Martin Steinebach. Der IT-Forensiker, der am Fraunhofer Institut tätig ist, verdeutlichte exemplarisch, dass mediale Manipulationen im Netzalltag immer präsenter und gleichzeitig sehr unterschiedlich auftreten. Dazu gehören Inhaltsmontagen, Verwendung von Bildern in falschen Kontexten oder auch Deepfakes. Mithilfe von Forensik-Toolboxen, Algorithmen und sogenannten Ghost-Artefakten könnten bestimmte Manipulationen zwar entlarvt werden, dennoch, so resümiert Steinebach, habe auch die Multimedia-Forensik ihre Grenzen.

 

Es braucht beides: Neugier und Zweifel

Die interdisziplinäre Podiumsdiskussion mit Dr. Carola Richter, Professorin an der Freien Universität Berlin, Simon Hurtz, Journalist und Dozent, und Dr. Kai Sassenberg, Professor an der Universität Tübingen, kam zu dem Ergebnis, dass sowohl Neugier als auch Zweifel die Ausprägung digitaler Informationskompetenzen bedingen. So bietet das vielseitige digitale Medienangebot die Möglichkeit, Themen zu vertiefen und in neue Themengebiete auf unterschiedlichste Art und Weise einzutauchen. Gleichzeitig ist es vor allem die gesunde Grundskepsis, die Menschen dabei hilft, Nachrichtenfluten im Netz kritisch gegenüberzutreten.

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Medienkompetenz als Grundpfeiler digitaler Informationskompetenzen

Ausführlich wurde die Frage diskutiert, welche Kompetenzen im Digitalen Nachrichten- und Informationsdschungel benötigt werden. Dabei wurden einhellig vor allem die Relevanz und Bedeutung der Medienkompetenzförderung hervorgehoben. Ein breitgefächerter und vielschichtiger Begriff, der weit über das rein technische Know-how der Mediennutzung hinausgeht. Vielmehr wurde auch hier die Wichtigkeit eines kritisch-reflexiven Medienumgangs betont. Dies sei insbesondere bei der Rezeption von Verschwörungstheorien entscheidend, so Prof. Dr. Kai Sassenberg. Neben einer kritischen Medienrezeption sei es zudem wichtig, Grundinformationen über die Funktionsweise des deutschen Mediensystems zu haben. So argumentierte Simon Hurtz, dass sowohl Kenntnisse über klassische als auch digitale Medien und Plattformen vermittelt werden sollten. Der Schule als wesentliche Sozialisationsinstanz kommt hierbei eine besondere Verantwortung zu. Gleichzeitig, das betonte Hurtz explizit, sei die Medienkompetenzvermittlung eine universelle altersgruppenübergreifende Lern- und Bildungsaufgabe.

Die wachsende Bedeutung der gesellschaftlichen Medienkompetenzvermittlung spiegelte sich auch in den Themen der Abschlussarbeiten wider, die für den diesjährigen medius-Preis ausgezeichnet wurden. So untersuchte beispielsweise die Masterarbeit von Sarah Spannruft und Tobias Titt, inwiefern medienpädagogische Maßnahmen derzeit und auch künftig schon im Kindergarten implementiert werden können. Eine Übersicht zu den Preisträgerinnen und Preisträgern sowie ihren Abschlussarbeiten finden Sie hier.

 

Veranstaltung im Livestream verpasst? Der Sender ALEX Berlin bietet den Mitschnitt des Livestreams über seinen YouTube-Channel zum Anschauen an:

 

Weitere Informationen:

Über Lena Wandner

Lena Wandner studierte Kommunikationswissenschaft und Romanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Kinder- und Jugendmedien an der Universität Erfurt. Ihr Interesse gilt insbesondere der Medienwirkungsforschung und dem Jugendmedienschutz, weswegen sie sich auch für ein Praktikum bei der FSF entschied, zeitweise als freie Blogautorin arbeitete und in 2020 als Social-Media- und Bogredakteurin für die FSF tätig war.