Wild Republic – Serienstart der ersten Staffel ab 15. April 2021 bei MagentaTV
„Filmen Sie die Berge“, soll Ernst Lubitsch auf die Frage geantwortet haben, wie man den „Lubitsch-Touch“ erlernen kann. „Wer die Berge filmen kann – kann alles filmen“.
Die Macher von Wild Republic machen mit ihrer Bergfilm-Serie also alles richtig. Schroffe Felszacken ragen in den düsteren Himmel noch glänzend vom letzten Schauer. Über graue Bergmassive schieben sich dräuende Wolken im Zeitraffer. Umtoste Baumwipfel winken dem Bus mit den jungen Erwachsenen auf dem Weg zum letzten Stopp in der Zivilisation wie am Anfang eines Horrorfilms unheilvoll zu. Die Natur, die bei Wild Republic eine Hauptrolle hat, soll die männlichen und weiblichen Kriminellen von ihrem selbst- und gesellschaftsschädigenden Verhalten heilen. Rafting, wandern und biwakieren einen geistigen Neustart begünstigen. Frei von Peergroups, Stadt und schädlichen Routinen. Abgeschnitten von Pizza-Service, Kokain-Taxis, Tinder und den allgegenwärtigen Grundschleppnetzen des World Wide Web sollen sie sich selbst und die Gruppe finden.
Weil diese gute Idee nicht genug Konflikt für acht Episoden bietet, läuft nicht alles wie geplant. Die Kerngruppe wird abgesprengt und muss sich frei von Wächtern, Betreuern und Bergführern in der Wildnis selbst bewähren. Was als kontrolliertes Experiment ablaufen sollte, muss als Abenteuer in wilder Eigendynamik seine Funktion erweisen. Wo könnte eine moderne Robinsonade besser spielen als in den Bergen? Einsame Inseln sind dünn gesät. Adam und Eva toben schon nackt auf Love Island herum. Inga Lindström eiert in Cabriolets auf der Flucht vor peinlichen Eltern und Partnersuche von Küste zu Küste und Promis lungern überall unter Palmen. Allein ist man nur noch im schroffen Grau der Felsen. Da heulen Wolf und Schleiereule. In den Bergen gibt es Höhlen. Da können ungestört Tribal Partys gefeiert werden. Am Feuer und am Wasserfall.
YouTube-Kanal MagentaTV: Trailer zur Serie Wild Republic
Wie bei Lost werden Plot und gruppendynamische Kontinuität durch Rückblenden mit den schlimmsten Backstory Wounds der Heldinnen und Helden unterfüttert. Kim erlag dem Loverboy Attila. Kurze Bilder illustrieren ihren Weg in die Prostitution, ihre Verwicklungen in Menschenhandel sowie eine ungewollte Abtreibung durch Faustschlag des Märchenprinzen in ihren Unterleib. Ron stößt bei der Protestaktion gegen einen Energiekonzern einen Wachmann von der Treppe. Das soll, wenn es nach seinem Vater, einem reichen Anwalt, geht, ebenso wenig Auswirkungen haben wie die Protestaktion selbst. Ron flieht vor dem übergriffigen Erzeuger und vor den Alptraumbildern seiner Mutter beim Selbstmord in der Badewanne. Jessicas Karriere als Influencerin mündet in Drogensucht und Unfall – verfolgt von der Verdammnis ihrer religiösen Mutter, die sie als Hexe verflucht.
Manchmal geht es blutig zu. Ohren werden abgebissen, blütenweiße Therapiehasen gehäutet und als Antwort auf Mobbing knallt ein Skateboard ins Gesicht. Weil sie Vergangenheit sind, also aus dem filmischen Kontinuum fallen und überdies der Charakterisierung von Protagonisten und Antagonisten dienen, sind die kurzen Gewaltbilder in dieser jugendaffinen Serie für ab 12-Jährige gerade noch zumutbar. Die Serie evoziert Selbstreflexion. Durch den experimentellen Versuchsaufbau der kleinen von der Außenwelt abgeschnittenen Gemeinschaft drängt sich die Diskussion über Gerechtigkeit und Zusammenleben geradezu auf. Wie würdest du selbst urteilen? Würdest du jemandem eine zweite Chance geben? Ist äußere Schönheit kongruent mit inneren Einstellungen? Wann handelt jemand wirklich moralisch und wann bemüht er nur Moral, um manipulativ eigene Interessen durchzusetzen? Überzeugende Konflikte sind im Medienangebot für diese Altersgruppe Mangelware. Wild Republic funktioniert. Jugendliche brauchen echte Themen und kein Kitsch-Paradies.
„Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein“
Berge und Moral sind filmgeschichtlich eng verbunden. Muss an der dünnen Luft liegen, an den Seilschaften und Schneebrücken. Monolithisch glühen die Tiroler Alpen vor sich hin. Die großen Fragen nach dem wirklichen Selbst, nach Liebe und Anerkennung beantwortet wohl immer noch am besten das Echo von der einsamen und unbezwingbaren Nordwand. „Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein“, wie Friedrich Wilhelm Nietzsche sagte.
Weitere Informationen zur achtteiligen deutschen Abenteuerserie gibt es u.a. bei MagentaTV.
FSF: freigegben ab ..?
In der deutschen Serie geht es um eine Gruppe jugendlicher Straftäter, die bei einem Sozialisierungsprogramm in den Alpen Ungeheuerliches erleben. Es geschehen mehrere Morde. In Rückblicken werden die kriminellen Karrieren der einzelnen Beteiligten erzählt.
Die Serie wird von einer düsternden und langsamen Erzählweise getragen, die mehrere intensive Gewaltszenen beinhaltet. Diese wirken teils roh und brutal, werden jedoch nicht übermäßig ausgespielt, zudem wurde auf die Inszenierung blutiger Details oder eindringlicher Leidensdarstellungen verzichtet. Die alltagsfernen Inhalte werden ausreichend differenziert von ab 12-Jährigen wahrgenommen, weshalb eine nachhaltige Ängstigung oder Desorientierung bei der Altersgruppe nicht vermutet wird. Die Serie wird für ein Publikum ab 12 Jahren freigegeben.
Zu weiteren ProgrammInfos auf der FSF-Website geht es hier.
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. Somit gelten die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen nicht. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.”
Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.
Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehprogramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern und externen Antragstellern vorgelegt.
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