MagentaTV eröffnet am 1. Januar das Serienjahr 2021 mit einem italienischen Historiendrama
Das Besondere:
Die Serie Romulus wurde wie im „alten Rom vertont“, denn sie ist komplett in Latein gedreht.
Endloser Wald. Frühlingsgrünes Laub. Die Kamera fliegt knapp über die Wipfel, während Elisa ihr gelungenen Remake des New-Wave-Songs von Tears for Fears einstimmt.
„Shout shout – let it all out.“
Aus dem Dunkel entsteht ein Bachlauf, dessen klares Wasser sich blutrot färbt. Eine Frau betrachtet den Feuerball in einer Grotte. Knochen. Stachelige Sukkulenten. Steinzeitliche Höhlenzeichnungen. Baumwurzeln. Ein Wolf öffnet die Augen. Kinnbart, Lippen eines Mannes im Anschnitt.
„Shout shout …“
Zweige im Regenwald. Buntes Insekt. Federn. Unterkiefer und Mund einer Kriegerin zur Tarnung überzogen mit Schlamm. Verwittertes Hanfseilgeflecht. Bronze. Bläulich irisierender Halbedelstein. Ein Amulett – eingeschnürt in blondes geflochtenes Menschenhaar.
„Come on, I am talking to you.“
Ein Uhu schlägt die gelben Augen auf und wendet sich um. Flüssiges Silber füllt ein umgekehrtes V aus. Qualm steigt auf wie von Lava. Eine exaltiert Tanzende wirft ihren blaugefärbten Kopf zurück. Eine Kriegerin mit Totenkopf-Zeichnung geschmückt. Feuer. Kopf der Kriegerin unter Wasser.
„Come on, I am talking to you.“
Ineinander verschlungene mit Schlamm beschmierte Menschenkörper kopulieren.
Öl fließt auf Holz. Ein Krieger mit Tribal-Maske reckt seine Faust in den Regen. Getarnter Jäger. Silberner Wolf blickt auf. Frisch gegossenes Silber formt in Runenschrift den Titel der Serie. Schwitzender Männerhals zeigt ein umgekehrtes V als Brandzeichen.
„I am talking to you“, – insistiert der Soundtrack, als wenn das noch nötig wäre. Die Bilder haben längst für sich gesprochen. Als könnte man sie berühren. Und den Bildschirm durchbrechen. Irgendwo ist das abgespeichert ganz tief im Unterbewusstsein, denn wir alle stammen aus den Höhlen, vom Bachlauf aus dem Wald und irgendwie ist dieses Wasser noch in unserem Blut. Einem so radikalen Naturangebot kann man nicht entkommen. Menschen sind Rudeltiere. Sichthetzer. Wollen sich in Knäueln aneinander wärmen. Mit Schlamm getarnte gleichberechtigte Kriegerinnen und Krieger sein. Die Welt befühlen und beschnüffeln.
Gekonnt setzt die Kamera natürliche und haptisch anmutende Texturen wie z.B. Haut, Haar, Fell, Holz, Federn, Leder, Knochen, Wasserflächen, Laubwälder, Steine, Halbedelsteine in Szene und vermindert damit die historische Distanz, gestaltet die Bilder so weit es geht beinah fühlbar.
Für Wiros und Jemos, den Helden aus Romulus, ist Natur erstmal gleichbedeutend mit Horror. Der endlose Wald ist gefährlich. Sphäre und Revier der mörderischen Wolfsgöttin Rumia, in dessen Mitte sie ein glücklicher Zufall führt – kurz bevor ihnen die Kehlen durchgeschnitten werden sollen. Sie scheinen vorerst im Herz der Finsternis angekommen zu sein. Das Rudel gleicht der anarchistischen Montagnards Truppe von Colonel Walter Kurtz im kambodschanischen Dschungel aus Apocalypse Now. Oder den blutrünstigen Maya aus Mel Gibsons Apocalypto. Wiros hat als ehemaliger, am umgedrehten V-Brandzeichen erkenntlicher Sklave sofort ein gutes Standing beim Rudel. Und als die Avatar-schöne Deftri mit ihm jagt und ihn sogar ins Menschenknäuel der Orgie bittet, fühlt sich Wiros langsam zu Hause. „Ich bin ein Niemand – ich kann jeder sein“, erklärt er seinem Freund und späterem Bruder Jemos. Dieser braucht etwas länger und einen erzwungenen Biss ins frische Herz des Feindes, bis er sich um so nachhaltiger mit den Exilierten und Verstoßenen zu solidarisieren beginnt. Die Matriarchin Lupa schnüffelt und leckt zur Begrüßung an ihm, als wäre er ein entlaufener Welpe und nicht der rechtmäßige König von Alba. Die von einer Frau geführten Rumia-Verehrer sind gleichberechtigte Krieger. Die Frauen müssen nicht erst wie die Latina Ilia, Tochter des Amulius, den Gott Mars um Erlaubnis bitten, das Schwert zu ergreifen. Aus der Höhle vertrieben, weil Spurius den Wald angezündet hat, will Jemos mit seinen neuen Freunden eine Stadt gründen, in der alle Religionen erlaubt sind auch und vor allem die der Verehrung Rumias: Rom.
Der den körperlichen und haptischen die Natur feiernden Approach auf der visuellen Ebene stellt einen Paradigmenwechsel dar. Die Serie gibt uns etwas, was wir nicht mehr haben, aber unbewusst vermissen: Eine vielfältige, gefährliche Außenwelt zum Anfassen und Riechen. Darüber hinaus ist die Dramaturgie der vorliegenden Staffel nicht anders als bei vielen anderen Qualitätsserien. Die Möglichkeit, dass jederzeit extreme Grausamkeiten möglich sind und auch explizit gezeigt werden, lässt den Zuschauenden atemlos zusehen und präsentiert oft mehr als das im Hauptabendprogramm üblicherweise Gezeigte. Leider fiel den Machern bei der Synchronisation keine Entsprechung für das Lateinische der Originalfassung ein. Die italienische Serie wird uns mit samt der defizitären Synchronisation noch eine Weile begleiten. Alea iacta est. Die erste Staffel hat gerade mal die Personen und den Konflikt etabliert. Sogar der Antagonist Amulius konnte als Cliffhanger entkommen. Ich werde also weiterhin das zuckende Herz in den Regen strecken und gemeinsam mit meinem Rudel den undurchdringlichen Nachthimmel anheulen.
Ab 01. Januar 2021 ist das für Sky Italia produzierte Historienepos Romulus mit zehn Episoden in der MagentaTV-Megathek abrufbar. Neben der lateinischen Originalversion mit deutschen Untertiteln ist die Serie auch in deutscher Synchronfassung verfügbar.
FSF: freigegben ab ..?
Die italienische Historienserie Romulus spielt im 8. Jhd. vor Christus und erzählt die Geschichte der Gründung Roms und von der Bildung einer neuen Gesellschaft – dies geht nicht ohne Kämpfe auf Leben und Tod ab.
Die Dramaserie ist in eine düstere Grundstimmung eingebettet. Die deutlich erkennbare alltagsferne und fiktionale Welt wird von Ränkespielen geprägt. Gewaltdarstellungen sind zahlreich vorhanden, z.T. auch explizite. Zudem sind sie effektvoll inszeniert und dienen ebenso der Charakterisierung der Figuren. Moderat dargestellte Gewaltmomente werden in dem distanzierenden historischen Kontext als verkraftbar für ab 12-Jährige bewertet. Drastische Tötungsdarstellungen hingegen schätzt der FSF-Prüfausschuss als übermäßig ängstigend für ab 12-Jährige ein. Für eine Ausstrahlung im Hauptabendprogramm müssen diese expliziten Szenen gekürzt werden, sodass keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungen für die Altersgruppe der ab 12-Jährigen verbleiben. Insgesamt wurden neben der historischen Anlage die vielen Dialogpassagen und die zwei parallel verlaufenden Handlungsstränge mit vielen Ortswechseln, welche einen durchgängigen Spannungsbogen verhindern, als ausreichend entlastend und distanzierend eingeordnet. Auch etabliert sich schnell ein leicht zu identifizierendes Gut-Böse-Schema der Hauptfiguren und mit Ilia und Jemos werden zwei starke positive Figuren geboten, an die sich die Zuschauenden anbinden können.
Zu weiteren ProgrammInfos auf der FSF-Website geht es hier.
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. Somit gelten die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen nicht. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.”
Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.
Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehprogramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern und externen Antragstellern vorgelegt.
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