Secrets and Lies – did he or didn’t he?

Amerikanische Kleinstadtidylle kennt man. Und dass dieser Mikrokosmos zu Beginn einer Serie auf den Kopf gestellt wird, weiß man. Meistens stapeln sich die Lügen und Geheimnisse der Bewohner zwar nicht sichtbar in ihren Vorgärten, werden aber Episode für Episode von den gutbürgerlichen Fassaden geschält.

Die Nachbarschaft in der Krimiserie Secrets and Lies wird aus dem Alltag gerissen, als Ben Crawford (Ryan Phillippe) beim Joggen die Leiche des fünfjährigen Tom Murphy findet und prompt selbst unter Mordverdacht gerät. Die folgenden Ermittlungen ziehen nicht nur die Medien an, sondern zerrütten zunehmend die eingeschworene Gemeinschaft und bringen dunkle Geheimnisse ans Licht.

Nach den ersten Stippvisiten und bohrenden Fragen der kühlen Detective Andrea Cornell (Juliette Lewis) ist Ben erpicht darauf, seine Unschuld zu beweisen und macht sich mit diesen Versuchen erst recht verdächtig. Dennoch weckt die Serie Mitgefühl für den Mann, dessen Familie, Malerbetrieb und guter Ruf auf dem Spiel stehen. Als wäre das Leben nicht schon kompliziert genug mit Ehekrise, pubertierender Tochter und bestem Freund in der Gartenlaube. Zweifel am eigenen Verstand lassen auch nicht lange auf sich warten. Bens Familie droht langsam an den immer lauter werdenden Vorwürfen zu zerbrechen und auch die Beweise, die die Polizei zutage fördert, weisen auf seine Täterschaft hin. Irgendjemand aus seinem Umfeld will ihm etwas anhängen, da ist Ben sich sicher.

Das Fesselnde an der Geschichte ist vor allem, dass man lediglich aus Bens Perspektive in den Fall involviert wird. Zu der unterkühlten und kalkulierenden Ermittlerin Andrea baut der Zuschauer im Serienverlauf keine Beziehung auf, was eher untypisch für Crime-Formate ist, in denen häufig auch aus Sicht der Ermittler ein Fall verfolgt wird. Doch Einblicke in die Polizeiarbeit und ob es noch weitere Verdächtige außer den Familienvater gibt, bleiben in Secrets and Lies verwehrt. Dafür sammelt Ben alle Sympathien, dem man seine Unschuld anstandslos abkauft – obwohl die Ungereimtheiten schnell dafür sorgen, dass man sich fragt: war er es doch? Oder war er es nicht?

Detective Cornell glaubt hingegen felsenfest, dass Ben der Mörder ist. Zumindest erweckt es den Anschein, da kein Tag vergeht, an dem sie Ben keinen von ihren Überraschungsbesuchen abstattet, die nicht nur den Verdächtigen zerrüttet zurücklassen, sondern auch den Zuschauer. Damit spiegelt die Serie die Urängste des Mittelstands wider: unschuldig eines Verbrechens bezichtigt und infolgedessen Opfer von Polizei, Medien und Justiz zu werden. Die Nähe zu Ben macht diese Angst fast greifbar und es baut sich eine dichter werdende, psychologische Spannung auf. In den ersten Folgen wird besonders die Medienmeute bezeichnend inszeniert, die anfängt, vor Bens Haus zu campieren, um Statements von ihm abzustauben und sich partout nicht abschütteln lässt.

Die Aufklärung des Mordfalls nimmt die gesamte erste Staffel von Secrets and Lies ein, womit die Handlung fortlaufend erzählt und sich im Zuge dessen viel Zeit genommen wird, die einzelnen Charaktere zu entwickeln und sie mit Tiefe zu versehen. In den ersten Folgen werden die unterschiedlichen Beziehungskonstellationen dargestellt und das nötige Konfliktpotenzial gesät. Während die Polizeiarbeit größtenteils off-screen abläuft, stehen nachbarschaftliche Weihnachtsfeiern und Dinnerpartys im Fokus des Geschehens, in deren Rahmen sich auch andere Nachbarn verdächtig machen. Schon bald hat der Zuschauer eine ganze Palette an möglichen Mördern mit Motiv zusammen.

Wer war’s denn nun? Der erzählerische Sog, den die Geschichte entwickelt, sowie die offenen Episodenenden sorgen dafür, dass man weitergucken und wissen will, wer den Mord an dem Fünfjährigen begangen hat und wie sich die zugespitzte Situation um Ben und seine Familie auflöst.

Die 10-teilige US-amerikanische Krimiserie Secrets and Lies ist eine Adaption der gleichnamigen australischen Miniserie und startet heute um 20.15 Uhr in Doppelfolge auf VOX.

Freigegeben ab …

FSF ab 12 Jahren HauptabendprogrammDie Handlung taucht in das soziale Milieu einer gutbürgerlichen Wohngegend ein und lotet die Konstellationen zwischen den Protagonisten und ihrem sozialen Umfeld aus, woraus sich eine ruhige Erzählweise ergibt. Damit richtet sich die Serie an ein erwachsenes Publikum, bietet Kindern und Jugendlichen jedoch verschiedene Anknüpfungspunkte wie etwa durch eine mögliche Nähe zur eigenen Lebenswelt und Gleichaltrige in Nebenrollen. Die einzelnen Episoden sind dialoglastig inszeniert und setzen auf subtile Spannung und kurze Überraschungsmomente. Potenziell ängstigende Momente werden in einer zurückhaltenden Bildsprache umgesetzt, sodass eine nachhaltige Ängstigung von ab 12-Jährigen nicht zu erwarten ist. Auch die psychologische Spannung sowie die offenen Episodenenden können Kinder und Jugendliche dieser Altersgruppe ohne die Gefahr einer entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung verarbeiten. Daher erfolgte eine Freigabe für das Hauptabendprogramm.

Zur dieser und weiteren ProgrammInfos auf der FSF-Website geht es hier.

Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehpramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern vorgelegt werden.

Über Laura Carius

Laura Carius hat Kommunikations- und Medienwissenschaften in Halle und Leipzig studiert, sammelte Erfahrungen in der PR- und Onlinekommunikation, war Werkstudentin bei der Leipziger Buchmesse und gewann bei der FSF Einblicke in den Jugendmedienschutz. Aktuell arbeitet sie bei einem Digitalverband in Berlin.