Ende der Spielzeit. Teil 1 – Psychologisches, Brillantes und Hochkarätiges

Den Beginn des Sommers sieht der Serienfan mit einem lachenden und einem weinenden Auge kommen. Denn in dieser Zeit wird es um die Serien immer etwas ruhiger. Im Moment geben sich noch einige Schwergewichte den Staffelstab in die Hand – Game of Thrones hat gerade seine vierte Staffel beendet, dafür geht True Blood in die mit Spannung erwartete letzte Runde. Und ein paar interessante Neueinsteiger sind ins Rennen gegangen – die Goth-Miniserie Penny Dreadful und Halt and Catch Fire, von dem noch nicht so recht klar ist, was es genau ist. Doch generell ist derzeit nicht besonders viel los, bis es dann mit etwas meteorologischer Verspätung im Herbst wieder heiß hergehen wird. Das gibt einem jedoch Gelegenheit, auf die letzte Herbst/Winter-, die eigentlich eine Herbst/Winter/Frühling-Saison ist, zurückzublicken. Und die hatte wahrlich so einiges zu bieten.

Finsteres aus dem Süden und der Mitte der USA

HBO hat es mal wieder geschafft, mit der neuen Anthologie True Detective ganz vorne mitzuspielen und die Qualitätsstandards für Serien einmal mehr nach oben zu definieren. Die Serie über ein ungleiches Ermittlerduo, das im Süden der USA eine mysteriöse Serie von Morden untersucht, lässt von atemberaubenden Naturbildern über ausgefeilte Dialoge bis hin zu beklemmenden psychologischen Portraits wirklich nichts missen. Mit den beiden Hauptdarstellern Matthew McConaughey und Woody Harrelson wurden die perfekten Besetzungen für den vom Leben gezeichneten Nihilisten Rust Cohle und den in seinem Männerklischeebild gefangenen Marty Hart gefunden. Schon ab der ersten Folge war klar, dass man hier etwas wirklich außergewöhnlichem beiwohnt und außerdem, dass das eigentlich keine Krimiserie ist. Und um bei den Anthologien zu bleiben, etwas später lief Fargo an, die Serienversion des Coen-Brüder-Kultfilms von 1996. Befürchtungen, dass es sich um einen flachen Abklatsch der Kinovorlage handeln würde, zerstreuten sich in Windeseile. Mit dem Film gemein hat die TV-Variante jedoch die düstere Atmosphäre der verschneiten Kleinstadt in Minnesota, in der es auf einmal Tote hagelt. Hier jedoch steht eine Polizistin auf verlorenem Posten, weil sie mit ihren brillanten Ermittlungen immer wieder gegen den kleingeistigen Sheriff anrennt, der seine Provinz-Attitüde „Ich kenne den Mann, der war‘s nicht!“ nicht ablegen kann.

Martin Freeman brilliert in der Rolle des Verlierers, der durch finstere Umstände zu Ruhm und Geld kommt und Billy Bob Thornton als Auftragskiller, in dessen Person alle Fäden zusammenlaufen und dem man mit seiner Kaltblütigkeit wirklich nicht nachts begegnen möchte. Dann gab es noch die zweite Staffel The Americans , über die ich bereits viele lobende Worte verloren habe. Sie gehört ebenfalls in Riege der eben genannten Shows. Diese Serie über verdeckt in den USA lebende sowjetische Spione ist in ihrem Ausloten menschlicher Psyche und komplexen Moral mindestens ebenso anspruchsvoll wie Fargo und True Detective. Und bietet darüber hinaus großartig gemachte Spionagespannung.

Grüße aus den 50ern

Eine weitere Neuerscheinung war das Historiendrama Masters of Sex, das sich um den Kampf des Arztes Bill Masters (Michael Sheen) dreht, menschliche Sexualität ungehindert erforschen zu dürfen. Ein etwas gewagtes Unterfangen für die USA der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Die Serie porträtiert die Doppelmoral und die gesellschaftlichen Zwänge dieser Zeit und das dadurch ausgelöste Leid der Figuren in den unterschiedlichsten Lebensumständen. Sei es der alleinstehende junge Arzt, der sich aus Karrieregründen zur Heirat gezwungen sieht, die alleinstehende junge Mutter, die sich nicht in ein soziales Korsett zwängen lassen will, die eigentlich etablierte Ärztin, die in dieser Männerdomäne jedoch ständig um ihren Platz ringt oder die brave bürgerliche Ehefrau von Bill Masters, des Fertilitätsexperten, der zur Rettung ihrer Ehe ein Kind fehlt, dass dieser ihr nicht geben kann. Die teilweise hanebüchene Ahnungslosigkeit oder schlichte Ignoranz in Sachen körperlicher Intimität, die damals herrschte, hatte verheerende Auswirkungen auf alle Arten von zwischenmenschlichen Beziehungen. Masters of Sex schafft es außerdem, sich in Erzählweise und Tonfall völlig von Mad Men abzuheben und ist trotz allem auch eine Serie über das Unbeirrbar-Sein angesichts widriger Umstände.

Die eben erwähnte Serie Mad Men ging vor kurzem in eine merkwürdig zerpflückte letzte Staffel, von der die erste Hälfte dieses Jahr und die zweite Hälfte nächstes Jahr ausgestrahlt wird. Der Abstieg, bei dem man Don Draper (John Hamm) über die Jahre zugesehen hat, erreicht zu Beginn der Staffel seinen Tiefpunkt. Das Einzige, hinter dem er sich noch versteckt, ist sein nicht vorhandener Job, doch auch diese Fassade fällt schnell. Das strahlende ambivalente Mysterium von Mann ist somit so exponiert, wie wir ihn selten vorher erlebt haben. Und es ist fast noch unerträglicher, ihn so zu sehen, als in all seinen bisherigen Abgründen. Dennoch hatten diese ersten Folgen der neuen und letzten Staffel natürlich auch etwas Kathartisches. Weswegen das Interessante an dieser ersten Hälfte ist, dass es Draper tatsächlich schafft, aus dem Loch zu klettern und die Handlung ihn in eine ähnliche Position versetzt, wie die, in der er ursprünglich angefangen hat. Die bange Frage ist nun, ob alles, wie beim Mops, der in die Küche kam, von vorn beginnt.

Der kleine Bruder im Marvel-Universum

Eine ebenfalls etwas langgezogene Angelegenheit sind die Agents of S.H.I.E.L.D. Die Serie begann Ende September 2013 und lief bis Mitte Mai 2014, was den Genuss einigermaßen schmälerte. Denn die Zuschauer mussten teils mehrwöchige Pausen in Kauf nehmen und das bei einer Show, die nur sehr langsam in die Gänge kommt. Ich kann nur spekulieren, dass das mit der Anbindung an die Ereignisse in Captain America: The Winter Soldier zu tun hatte. Denn die Serie ist Teil des Marvel-Filmuniversums und hängt von den Comicadaptionen ebenso ab wie diese voneinander. Es gab auch Gastauftritte von Figuren aus den diversen Verfilmungen, wie etwa Thor oder The Avengers. Doch auch wenn Agents of S.H.I.E.L.D. was Missionen, Ästhetik und Humor angeht, zu großen Teilen mit den großen Filmbrüdern mithalten kann, hielt mich persönlich lange Zeit nur der Joss-Whedon-Bonus bei der Stange. Denn es brauchte wirklich lange, bis mir die  Figuren etwas bedeuteten. Erst mit dem düsteren Tonfall der zweiten Hälfte und einem Gegner, der über mehrere Folgen bekämpft werden musste, fand die Serie so richtig zu ihrem eigenen Modus Operandi.

Und das war noch lange nicht alles, was in den letzten Monaten so gelaufen ist. Im zweiten Teil, der am 01. Juli 2014 hier erscheint, geht es um Unterirdisches, Blutrünstiges und Komisches.

Hier gehts zur Fortsetzung der Textreihe: zweiter Teil + dritter Teil.

Über Katja Dallmann

Katja Dallmann hat ein Übersetzer-Diplom und einen Bachelor in Publizistik- und Kommunikationswissenschaft abgeschlossen. Sie ist freie Übersetzerin und Autorin, hat als Onlineredakteurin gearbeitet und verschiedentlich in Print und Online publiziert. Katja ist leidenschaftlicher Serienfan und bloggt sonst unter Serielle Schnittstelle.

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