„Make jokes, not war!“ – #ww3

Nur Galgenhumor der „Generation Z“ oder ernst zu nehmende Ängste?

 

#ww3 – diese vier Zeichen lösten in den ersten Wochen des noch jungen Jahres eine Debatte über die Angemessenheit von schwarzem Humor bei realen politischen Krisen aus.

 

Doch was bedeuten Sie überhaupt?

Der „Hashtag World War 3“ (kurz #ww3 oder #wwIII) ziert derzeit abertausende sogenannter Memes und überschwemmt damit die sozialen Netzwerke. Ob Twitter, Instagram oder Facebook – die humoristischen Bild-Text Beiträge scheinen den digitalen Diskurs zu dominieren. Vor allem aber über TikTok, dem umstrittenen, jedoch nach wie vor beliebten Videoportal erhielt der Hashtag große Aufmerksamkeit. Dort finden sich bis zum jetzigen Zeitpunkt bereits über 1,7 Milliarden Clips*, in denen User ihre Interpretation des kontroversen Trends wiedergeben.

 

Aber worum geht es dabei überhaupt?

Seitdem der Konflikt zwischen den USA und dem Iran durch die von Trump angeordnete Tötung des iranischen Generals Soleimani zunehmend eskalierte, reagieren Jugendlichen mit Hohn und Spott. Sie ziehen mit satirischen und manchmal auch einfach albernen Beiträgen über einen „potenziell bevorstehenden Dritten Weltkrieg“ her. So wurde scherzend darüber gegrübelt, wie man am besten der Zwangseinberufung entgehen könne, wie US-amerikanische Jugendliche versuchen, tanzend den Pistolenschüssen verfeindeter Soldaten auszuweichen und ihre Videospielerfahrungen im realen Kampf nutzen könnten.

 

Dieses Meme dient als ein Beispiel für den im Artikel diskutierten Galgenhumor des #ww3-Trends. Memes-Collage © Janina Pickel
Dieses Meme dient als ein Beispiel für den im Artikel diskutierten Galgenhumor des #ww3-Trends. Memes-Collage © Janina Pickel

Auch deutsche Jugendliche reagierten auf den Trend und spaßten darüber, wie überraschend es doch sei, dass Deutschland tatsächlich mal nicht schuld an einem Weltkrieg seien werde. Witze, Bildchen und Clips, die von infantil-albern über zynisch-schneidend bis hin zu grenzwertig und geschmacklos reichen – der perfekte Nährboden für eine groß angelegte, öffentliche Debatte.

 

Doch wer diskutiert denn nun und worüber genau?

Es handelt sich hierbei zunächst einmal mehr um eine Art Generationenkonflikt. Denn die Macher jener ww3-Memes repräsentieren die junge, sogenannte „Generation Z“ (ca. 1997-2012 geborenen), während die Kritiker des Trends der älteren Generation angehören „sollen“. Dieser Konflikt der Generationen hatte sich bereits über das im Jahr 2019 aufkommende Schlagwort „Ok Boomer“ (auch #okboomer) angebahnt, als junge Generationen mit diesem Ausspruch einem gewissen Verdruss über Belehrungen (vor allem bzgl. der „Fridays for Future“-Kritiken) der sogenannten „Babyboomer“-Generation (besonders hohe Geburtenraten ab Mitte der 1940er- bis 1960er-Jahre) Luft machten. Das ist jedoch nur der Hintergrund für eine vielschichtige Debatte. Denn einerseits kann es bis zu einem gewissen Punkt als anmaßend betrachtet werden, dass gerade jene Generationen, die das Glück hatten, nie direkt mit Krieg konfrontiert worden zu sein, nun Witze darüber machen. Gerade im Hinblick auf Menschen, die auch heute noch in Kriegsgebieten leben, leiden und kämpfen müssen, kann man es als taktlos und unempathisch erachten.

Andererseits könnte man die in unserer Gesellschaft geschützte Kunst- und Meinungsfreiheit heranziehen, die es dem Individuum erlaubt, seine Meinung frei in Form und Botschaft preiszugeben. Und gerade humoristische Ansätze, die politisches Geschehen persiflieren, sind ja kein neues Phänomen der Digitalisierung. Auch in Tageszeitungen und Fernsehshows gab es bereits Formate wie Karikaturen und Satiresendungen, die den Rahmen des guten Geschmacks auszureizen wussten, um auf Probleme hinzuweisen und einen Diskurs in Gang setzten. Memes und Co. sind gewissermaßen die Karikaturen der neuen Generationen und offenbaren in diesem Fall, was den Älteren oft vorenthalten bleibt – die Trends, aber eben auch die Ängste der Jugendlichen.

Deshalb hat dieser Trend des #ww3 eine weitere wichtige Lesart. Er muss kritisch betrachtet werden, weil jüngere User, die diesen hochsarkastischen, schwarzen Humor der Social-Media-Beiträge noch nicht einschätzen können, geängstigt werden könnten und möglicherweise einen falschen Eindruck vom weltlichen Geschehen erhalten, ähnlich eines „scary-world“-Effekts. Andererseits kann jedoch ein großes Potenzial daraus geschöpft werden, auch als Außenstehender die Ängste der Jugend durch solche Beiträge erkennen zu können und mit Hilfestellungen zu reagieren. So geschehen am Beispiel des TikTok-Kanals der Tagesschau, der am 20.11.2019 sein erstes Video veröffentlichte und seither immerhin 198.200 Follower hat. Dieser veröffentlichte vor etwa zwei Wochen ein informatives Video und richtete sich damit immerhin an die deutschen Jugendlichen. Die eigentliche Unsicherheit über die Möglichkeit eines bevorstehenden Dritten Weltkriegs, die hinter jenem Trend liegt, wurde als Frage formuliert und an den Experten der Stiftung für Wissenschaft und Politik, Marco Overhaus, gerichtet.

 

@tagesschauViele von euch fragen uns: Wie wahrscheinlich ist jetzt ein Dritter Weltkrieg? #Iran #USA #Trump #wwiii #worldwar3 #tagesschau♬ Originalton – tagesschau

(Erklärt wird, dass es sich beim Iran nicht um eine globale Macht handle und somit eine Beteiligung von bspw. Asien und Europa nicht zu erwarten sei. Deshalb sei es auch unwahrscheinlich, dass dieser Konflikt zu einem Nato-Bündnisfall werde, der u.a. Deutschland dazu verpflichte, sich militärisch an einem Krieg zu beteiligen.)

Wie also weiter mit dem grenzwertigen Trend umgehen?

Es muss zweifelsfrei möglich sein, die Angemessenheit von Witzen, Memes und Clips dieser Art zu hinterfragen, um Betroffenen von Kriegsgeschehen mit Respekt zu begegnen und Jüngere vor einer Ängstigung zu schützen. Dennoch darf man den Beteiligten dieses Trends nicht ihr Recht auf Meinungsäußerung absprechen. Vor allem das Argument, diese Generation hätte keine Ahnung von was sie spräche, ist nicht wirklich zielführend. Denn sollte man ihr wirklich vorwerfen, keine Erfahrungen zu haben was Kriegsleiden angeht und ist dies die Voraussetzung, um das Recht zu haben, seinen Unmut und seine Angst über die politischen Entwicklungen in humoristischen Beiträgen öffentlich zu teilen?

Letztlich sollte diese Form der Verarbeitung von Ängsten nicht zum Nachteil der User ausgelegt werden. Galgenhumor gab es auch schon in analogen Zeiten. Gleichwohl erreichen die Memes in viel kürzerer Zeit eine breite Masse an Menschen, unter denen auch noch jüngere Personen zu vermuten sind, die die sarkastischen Darstellungen mitunter nicht angemessen einordnen können. Somit bildet der Trend ein gutes Beispiel für die Abwägungen zwischen Artikel 5 des Grundgesetzes (Kunst- und Meinungsfreiheit) und dem Auftrag des Jugendschutzes.

Eine konstruktive Art dem Trend zu begegnen wäre wohl, die Hintergründe und Motive zu begreifen, Ängste ernst zu nehmen und mit Hilfestellungen zu reagieren. Denn weder ein Verbot der Meinungsäußerung noch der Wunsch, Jugendliche sollen sich weniger mit der Politik auseinandersetzen, können hier die Basis der Diskussion sein.

 

Erklärungen/Begriffe:

 

Weitere Artikel zum Thema:

Die Suche des Hashtags „ww3“ am 15.01.2020, 17:20 Uhr, ergab 1,7B Aufrufe.
Alle Artikel wurden zuletzt aufgerufen am 20.01.2020.

Über Janina Pickel

Janina Pickel ist Masterstudentin der Filmwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Im Februar 2018 wurde sie als ehrenamtliche Prüferin der FSK tätig und arbeitet seit Juni 2019 nebenbei als Filmvorführerin des F.W. Murnau Filmtheaters in Wiesbaden. In ihrer Bachelorarbeit zum Thema Der Horrorfilm für Kinder spiegelt sich ihr besonderes Interesse für mediale Grenzgänger und Themen des Jugendmedienschutzes wider. Dies bewog sie u.a. dazu, ein Praktikum bei der FSF zu absolvieren. Mittlerweile wurde sie auch zur Prüferin der FSF benannt.