„Mama, das ist peinlich!“

Egal ob auf Instagram, Facebook oder Snapchat – Eltern teilen heutzutage regelmäßig Fotos von ihren Kindern und verletzen dabei ganz nebenbei die Persönlichkeitsrechte ihrer Kinder.

Das Persönlichkeitsrecht ist ein Grundrecht, welches dem Schutz der Persönlichkeit einer Person vor Eingriffen in ihren Lebens- und Freiheitsbereich dient. Dieses Grundrecht hat jeder Mensch auch Kinder – ganz unabhängig davon wie alt sie sind. Und trotzdem werden aktuell – und mit einer gewissen Selbstverständlichkeit – Kinderfotos auf Instagram etc. gepostet.

Grundsätzlich solle man, wenn man Fotos auf Instagram, Facebook und Co. teilt, immer nach dem Einverständnis der abgebildeten Personen fragen, so der auf Datenschutz- und Internetrecht spezialisierte Rechtsanwalt Markus Rassi Warai in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen. Denn was der eine möglicherweise niedlich findet, kann von dem anderen als unangenehm oder peinlich empfunden werden.

Eltern sollten sich daher mit Blick auf die Zukunft des Kindes genau überlegen, ob sie Fotos ihrer Kinder online stellen. Denn diese Bilder können dem Kind später unangenehm sein oder anderweitige Folgen, auch im Hinblick auf seine berufliche Zukunft haben.

v.l.n.r.: Kai Hanke, Thomas Krüger (beide DKHW), Nadia Kutscher, Ramona Bouillon (beide Universität zu Köln) bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Ergebnisse der Studie "Kinder. Bilder. Rechte. Persönlichkeitsrechte von Kindern im Kontext der digitalen Mediennutzung in der Familie" am 27.11.2018 © Foto: FSF
v.l.n.r.: Kai Hanke, Thomas Krüger (beide DKHW), Nadia Kutscher, Ramona Bouillon (beide Universität zu Köln) bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Ergebnisse der Studie „Kinder. Bilder. Rechte. Persönlichkeitsrechte von Kindern im Kontext der digitalen Mediennutzung in der Familie“ am 27.11.2018 © Foto: FSF

Persönlichkeitsrechte von Kindern im Kontext der digitalen Mediennutzung in der Familie

Doch was halten eigentlich Kinder davon, wenn ihre Eltern Fotos von ihnen auf Facebook, Instagram und Co. veröffentlichen? Und wie sieht die Nutzung digitaler Medien in den Familien aus? Im Rahmen des Projektes Kinderrechte des Deutschen Kinderhilfswerkes wurde bei der Universität zu Köln eine Studie mit dem Titel Kinder. Bilder. Rechte. Persönlichkeitsrechte von Kindern im Kontext der digitalen Mediennutzung in der Familie in Auftrag gegeben. Am 27. November 2018 wurden die Ergebnisse von Prof. Dr. Nadia Kutscher und Ramona Bouillon von der Universität zu Köln in den Räumlichkeiten des Deutschen Kinderhilfswerkes in Berlin vorgestellt.
Im Fokus der Studie stand die Frage, wie digitale Mediennutzung und Sharenting in den Familienalltag eingelagert sind. Auch wurde analysiert, inwiefern Kinder an den elterlichen Medienpraktiken und Entscheidungen beteiligt werden, wie dabei mit ihren Persönlichkeitsrechten umgegangen wird – vor allem in Bezug auf den Datenschutz und dem Recht am eigenen Bild der Kinder bzw. der Mitsprache bei Posting-Entscheidungen der Eltern. Dazu wurden 12 Familien, insgesamt 12 Elternpaare und 21 Kinder, in 37 Interviews befragt, die jeweils unterschiedliche Bildungsabschlüsse und Erfahrungen mit Medien haben.

 

Digitale Medien sind Bestandteil des familiären Alltags

Ersichtlich wurde, dass in allen befragten Familien der Alltag durch die Nutzung digitaler Medien geprägt ist und die Kinder die Möglichkeit haben, digitale Medien zu nutzen. Allerdings stehen die jeweiligen Geräte den Kindern unterschiedlich frei zur Verfügung. Teilweise kontrollieren die Eltern das Smartphone der jüngeren Kinder mit der Intention, ihrer elterlichen Verantwortung gerecht zu werden, oder die Kinder benutzen die Geräte ihrer Eltern mit und teilen sich mit ihnen den WhatsApp-Account. Deutlich wurde auch, dass die Mehrheit der Eltern zwischen WhatsApp als privaten und Facebook als öffentlichen Intermediär unterscheiden und demzufolge zwar mehr darauf achten, welche Bilder sie bei Facebook teilen, aber WhatsApp bedenkenloser nutzen.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Eltern teilweise im Zwiespalt stehen: einerseits wollen sie ihren Kindern die Social-Media-Nutzung ermöglichen, andererseits wollen sie ihre Kinder schützen, indem sie sie kontrollieren und dabei massiv in die Privatsphäre der Kinder eingreifen. Deutlich wurde auch, dass die Eltern zum Teil überfordert sind, da sie die Mediennutzung ihrer Kinder nicht steuern können. Trotzdem möchten sie ihre Kinder in Bezug auf die Mediennutzung sensibilisieren.

 

Kinder haben genaue Vorstellungen, was geteilt werden darf und was nicht

Die befragten Kinder hatten eine genaue Vorstellung darüber, was geteilt werden darf und was nicht beziehungsweise äußerten sie zum Teil sehr deutlich, wie sie nicht dargestellt werden möchten. Die Kriterien der Kinder für Schutz und Veröffentlichung fielen dabei sehr individuell aus. Die Wahrnehmungen von Eltern und Kindern was als schützenswert erachtet wird, unterschieden sich stark: im Schutzinteresse der befragten Kinder standen vor allem die Vermeidung von Beschämung, indem Bilder gepostet werden, die ihrer Ansicht nach peinlich oder unangenehm sind. Was sie allerdings als peinlich empfanden, wich stark von den Einschätzungen der Erwachsenen ab.
Die Eltern empfanden dagegen Fotos als schützenswert, wenn diese beispielsweise Auswirkungen auf das spätere berufliche Leben der Kinder haben könnten oder bei Gleichaltrigen auf negative Reaktionen stoßen könnten.

„In der Regel würden die Kinder deutlich weniger Bilder von sich preisgeben als ihre Eltern. Den Eltern ist gar nicht bewusst, dass die Kinder teils deutlich andere Vorstellungen über Privatheit von Fotos haben.“

Es stellte sich heraus, dass viele der befragten Kinder mitbestimmen möchten, wie sie selbst auf Fotos dargestellt werden, wer welche Fotos von ihnen sehen und unter welchen Umständen ein Bild veröffentlicht werden darf. Das beachten viele Eltern gar nicht und treffen die Entscheidung – z.T. entgegen der Proteste der Kinder – allein.

„Was von Eltern als schützenswert erachtet wird, ist nicht zwangsläufig identisch mit dem, was die Kinder für schützenswert halten.“

Persönlichkeitsrechte sind nicht verhandelbar

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die befragten Kinder mitbestimmen wollen, wann und ob ein Foto von ihnen in einem Sozialen Netzwerk veröffentlicht wird. Die Heranwachsenden können in der Realität allerdings nur geringfügig mitbestimmen, da die Eltern teilweise ein Einverständnis ihrer Kinder voraussetzen. Insgesamt befassen sich die Eltern viel mit der Frage, wie sie die Mediennutzung ihrer Kinder begleiten können, allerdings fühlen sie sich dabei auch überfordert und hilflos. Das gründet unter anderem darin, dass die Eltern nur wenig über die digitalen Medien wissen, sich unsicher, hilf- und machtlos gegenüber den Nutzungslogiken der digitalen Dienste fühlen. Daneben spielen Einstellungen gegenüber Medien sowie eigene Kindheitskonzepte eine große Rolle.

„Hinsichtlich der Datensammlung durch Facebook, Google und Co. changiert die Haltung der Eltern zwischen Resignation, Ignoranz, Pragmatismus, Hilflosigkeit und Unbedarftheit.“

Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, fügte den Ergebnissen der Studie hinzu, dass Grundrechte wie das Persönlichkeitsrecht nicht verhandelbar seien und die Medienverantwortung mehr thematisiert werden solle. Eltern sollten fortan nicht alleine gelassen werden mit der erzieherischen Begleitung ihrer Kinder im Hinblick auf die digitalen Medien. Das Deutsche Kinderhilfswerk fordere daher eine Stiftung für Medienkompetenz.

„Ihre Aufgabe sollte in der finanziellen Unterstützung medienpädagogischer Projekte und in der Vernetzung bestehender Ideen und Erfahrungen bestehen. Gleichzeitig könnten durch eine solche Stiftung die Evaluierung und die Begleitforschung von Projekten koordiniert werden.“

Es gibt bereits einige Initiativen und Einrichtungen, die sich näher mit dem Thema Medienkompetenz beschäftigen und den Eltern beratend zur Seite stehen, wenn es darum geht, die Mediennutzung ihrer Kinder zu begleiten. So beispielsweise die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, von den öffentlich-rechtlichen Sendern Das Erste und ZDF und von der Programmzeitschrift TV Spielfilm gegründete Initiative SCHAU HIN! Was dein Kind mit Medien macht, die Eltern darin unterstützen möchte, ihre Kinder für den Umgang mit Medien zu sensibilisieren.

In Bezug auf das Veröffentlichen von Bildern in Sozialen Netzwerken sollte man grundsätzlich die Intransparenz der Onlinedienste Instagram, Facebook und Co. im Hinterkopf behalten. Letztendlich können wir nicht nachvollziehen, in welche Hände die Bilder geraten und ob diese für andere Zwecke weiterverwendet werden.

Das Thema Kinderfotos auf Social Media und die damit einhergehende Verletzung der Persönlichkeitsrechte werden sicherlich auch weiterhin viel diskutierte Themen bleiben – auch weil es diesbezüglich fortwährend neue Entwicklungen gibt: Neuerdings teilen Influencer nicht nur Fotos ihrer Kinder, sondern benutzen sie sogar für Produktplatzierungen. Erkennen die befragten Kinder bspw. Produktplatzierungen und Werbung  auf YouTube? Wie gehen sie damit um? Die Antworten auf diese Fragen und alle Zahlen zu der vorgestellten Studie finden sich auf der Webseite des Deutschen Kinderhilfswerkes: https://www.dkhw.de/schwerpunkte/medienkompetenz/studie-kinderbilderrechte-deutsches-kinderhilfwerk/

 

Kinderrechte-Filmfestival

 

Passend zu dieser Thematik veranstaltete der Landesverband Kinder- und Jugendfilm Berlin (KIJUFI) zum gleichen Zeitpunkt ein Kinderrechte-Filmfestival Klappe auf! für Demokratie und Kinderrechte. KIJUFI macht es sich zum Ziel, nicht über Kinder zu reden, sondern direkt mit ihnen zusammenzuarbeiten. Sie bekommen z.B. die Möglichkeit, eigene Videos zu drehen und sich darüber reflektiert mit den Medien auseinanderzusetzen. Den Veranstaltern geht es darum, dass Kinder für sich selbst sprechen können und eine Stimme für politische, soziale und gesellschaftliche Diskurse erhalten. Kinder sollen eigene Verantwortung übernehmen dürfen und eigene Veränderungen anstreben und erreichen können. Dieser Ansatz wird auch beim Kinderrechte-Festival verfolgt, indem sich Kinder in Workshops mit ihren eigenen Bedürfnissen und Rechten auseinandersetzen und in Kurzfilmen darstellen. Ein besonderes Highlight dabei sind die Vorführungen der Filme im Kino, jährlich am internationalen Tag der Kinderrechte. Auf dem YouTube-Kanal von KIJUFI können alle Filme angesehen werden.

 

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Weiterführende Informationen:

Über Jule tom Dieck

Jule studiert Politik-und Kommunikationswissenschaft an der Universität Greifswald. Vor ihrem Studium absolvierte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr in Frankreich und neben ihrem Studium hilft sie bei einer Kindertagesbetreuung aus. Während ihres Praktikums bei der FSF sammelte sie einige neue Erfahrungen im medienpädagogischen Bereich – sowohl für ihr Studium als auch für ihre berufliche Zukunft.