Das trashige Dutzend: Suicide Squad

Nein, es sind weniger als 12, aber hier passt die Überschrift zum Film: Vieles egal, Hauptsache es fetzt und sieht cool aus! Die Bösen müssen die Welt vor noch Böseren retten, weil die Guten nicht lebensmüde genug sind – passt das nicht perfekt ins Heute? Glatte Strahlemänner gibt’s doch nur noch im Vorschulfernsehen, bei den Avengers oder der Justice League, sonst sind männliche wie weibliche Helden heute ja mehr wie gemäßigte Gangster-Rapper: ein bisschen tätowiert, ein bisschen unterkühlt, aber irgendwo ganz tief drin mit riesigem Herzen. Na ja, ganz so schlicht ist es mit Suicide Squad doch nicht: Comic-Fans, die genauesten Erbsenzähler der Welt, werden einwenden, dass es eine gleichnamige Truppe aus Schurken des DC-Comic-Universums schon in Heften von 1959 gab (The Brave and the Bold).

Der Plot: Um die Welt zu retten vor der übermächtigen Hexe Enchantress, lässt die Regierungsbeauftrage Amanda Waller nicht Batman aus seiner Bat-Höhle, sondern einige seiner fiesesten Gegner aus dem Gefängnis holen und mit Nano-Implantaten gefügig machen, die bei Ungehorsam explodieren. Wohl oder übel müssen sich die mehr auf Alleingänge spezialisierten Freaks zusammentun, töten eine Monster-Armee, merken, dass sie belogen wurden und eigentlich scheitern sollten, halten trotzdem die Apokalypse auf und eine Lovestory geht gut aus. Fin!

 

Übernatürliche Salonfähigkeiten

Greller Lichtblick in der plakativ düsteren Apokalypse: Margot Robbie als infantiles, übersexualisiertes, sadistisches Misfit-Biest Harley Quinn. Auch wenn ihre Liebesgeschichte hauptsächlich dem Zweck dient, Joker im Film unterzubringen, gibt sie dem Haufen noch am ehesten etwas Substanz und wenigstens eine Prise des angestrebten, wenn auch arg schablonenhaften Punk- und Anarcho-Stils. Ihr Kostüm kostet übrigens inklusive Netzstrumpfhose und „Daddys Lil Monster“-T-Shirt 49,90 €, für ihren Baseballschläger müssen interessierte Mädchen 10 € drauflegen. Für die Jungs sind Altstar Will Smith als Scharfschütze Deadshot dabei, Jared Leto als Joker, diesmal nicht wie Heath Ledger, sondern mehr wie Marylin Manson und… na ja, noch viele andere. Vielleicht zu viele für Regisseur David Ayer – da fehlt zwischen der schrillen Optik, den flotten Sprüchen und der CGI-Überwältigungs-Action die Balance, der Sog, der Auf- und Abbau von Spannungen. Dass der Dreh kompliziert und hektisch war, sollte man vorher besser gar nicht wissen, sonst sieht man es im Film ständig.

Ergebnis A: Zerrissen von der Presse, unterirdischer Durchschnitt bei Rotten Tomatoes und große Enttäuschung bei denen, die nach einer Promo-Offensive mit Joker Fotos erwartet hatten, der Film drehe sich um ihn.

Ergebnis B: 600 Mio. Dollar allein im August 2016, Platz 1-Soundtrack und ein Oscar für Make-Up und Frisuren. Den wollte man wohl unbedingt: Auf Plakaten sieht die Selbstmord-Peergroup aus wie eine perfekt schematisierte Retorten-Band – und tatsächlich! Die südafrikanischen Rapper von Die Antwoord behaupten, die Macher hätten nach einem Treffen mit der Band ohne Absprache deren Look für den Film kopiert. Wie viel der Industrie doch egal sein kann, wenn sie ein für Jahrzehnte geplantes Blockbuster-Franchise für die lukrative Zielgruppe der ab 12-Jährigen durchzieht – die Zahlen stimmen ja meistens.

 

Böse x Böse = Gut?

Wo psychopathische Comic-Schwerverbrecher zu Filmhelden avancieren, wird nicht diskutiert, sondern getötet – massenhaft und lustvoll, garniert mit sarkastischen Sprüchen und einem Waffenarsenal, das Ex-Soldat David Ayer sehr feierlich ins Bild setzt. Wo so viel Böses gefeiert wird, sollen Kinder nicht mitfeiern, will man zurecht meinen, daher hat die FSK die ungeschnittene Fassung des Films ab 16 Jahren freigegeben. Vor allem der vordere Teil geht für Kinder nah an die Grenze des Zumutbaren: Quälereien und sadistische Wachmänner im Gefängnis, ein zelebrierter Body Count gegen eine Armee aus gesichtslosen „Meta-Wesen“, viele kleine Schocker-Momente oder ein Flashback, der Harley Quinns Lovestory mit dem Joker als irren Mix aus Chemikalien und Bondage zeigen. Zur Ruhe kommt dieser Trip kaum – wäre der Film ein Schüler, bekäme er sofort Ritalin verschrieben.

Was den FSF-Ausschuss trotz allem dazu bewog, diese etwas entschärfte Fassung als unbedenklich nach 20 Uhr einzustufen, war seine unmissverständliche und immer deutlicher werdende Künstlichkeit. Spätestens mit dem Kampf gegen die Hexe und ihren dämonischen Bruder Incubus bricht das Phantastische und Märchenhafte so klar in den Film, dass ihm auch der letzte Alltagsbezug genommen ist – daran ändern auch die Anspielungen auf amerikanische Terrorängste nichts. So effektvoll, wie die erschossenen „Meta-Wesen“ zerbröseln, ist es eigentlich gar kein Body Count, sondern mehr ein Pixel Count. Dazu visuelle Verfremdungen, grell leuchtende Chemikalien, dramaturgische Brüche und Zeitsprünge, lautmalerische Geräusche – es wird Kindern nicht schwer gemacht, das irre Spektakel mit der gebotenen Distanz anzusehen. Und wie zu erwarten ist, bleiben auch die heroischen Schurken nicht nur böse, sondern entwickeln sich und bekommen sogar etwas tragischen Background. Aber wer tötet als einzige kaltblütig völlig Unschuldige? Keiner der Vorzeige-Verbrecher, sondern die Aufraggeberin Amanda Waller (Frau, hochrangig, schwarz)! Nimmt man alles zusammen, ist der Film ungefähr so böse wie die Band Knorkator: eigentlich ist es nur Cosplay mit Spielzeug. Kinder ab 12 schauen ja Comics nicht, um daraus Lehren für ihr Leben zu ziehen (auch wenn Jugendschützer das gerne so sehen), sondern um in fremde Welten einzutauchen, in denen abgefahren aussehende Helden Dinge tun, die in unserer Welt unmöglich sind.

 

ProSieben zeigt den Actionfilm Suicide Squad am Sonntag, 3. Februar 2019 um 20.15 Uhr.

FSF ab 12 Jahren Hauptabendprogramm © FSF

Diese sowie weitere ProgrammInfos gibt es auf fsf.de.

 

Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehpramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern vorgelegt werden.

Über Arndt Klingelhöfer

Arndt Klingelhöfer lebt in Mainz und hat Filmwissenschaft, Soziologie und Ethnologie studiert. Er war u.a. als Dialogautor für TV-Serien tätig und an der Projektreihe Medienkompetenz und Jugendschutz bei der FSK beteiligt. Seit 2015 gibt er Film-Workshops für Gefangene in der Wiesbadener JVA in Kooperation mit der Kulturinitiative Die Werft. Seit 2018 ist er Filmreferent für das Institut für Kino und Filmkultur (IKF). Außerdem prüft er für die FSF in der Programmprüfung.