Beliebte Apps in Zeiten von Social Distancing

Zwischen Unterhaltungsfaktor und Datenschutzproblem

 

 „Du musst unbedingt mal Houseparty ausprobieren – richtige coole App, dort kann man mit all seinen Leuten sprechen, wir machen da immer richtig Action.“

Zugegeben, wenn mein jüngerer Bruder mir neue App-Empfehlungen gibt, bin ich neugierig. Vielleicht, weil ich bei den ständig neu im Trend liegenden Apps langsam den Überblick verliere, vielleicht aber auch, weil mich bei all der Expertenkritik die Perspektive derer interessiert, die es tatsächlich am meisten nutzen.

Ohne Frage – die aktuelle Situation ist nicht einfach und auch wenn viele Kinder und Jugendliche die Schulschließungen wohl anfangs bejubelt haben, so schleicht sich allmählich Langeweile ein. Hinzu kommt, dass der direkte Kontakt mit Freunden aus Sicherheitsgründen untersagt ist. Die Konsequenz: die Nachfrage nach Unterhaltungs- und Kommunikationsapps wird größer. Doch was steht zurzeit eigentlich im Trend und wie sicher sind Apps wie beispielsweise Houseparty in Puncto Datenschutz und Co.?

 

Houseparty – virtuelles Abhängen im Gruppenchat

Houseparty ist eine App, mit der in Gruppen (video)-telefoniert und gechattet werden kann. Hierfür muss zunächst ein Account angelegt werden. Optional lässt sich der Houseparty-Account jedoch auch mit einem vorhandenen Snapchat-Account verbinden – so hat man direkt Zugriff auf die jeweiligen Snapchat-Kontakte. Doch auch ohne Snapchat-Account gestaltet sich die Freundes- und Kontaktsuche recht einfach. So kann in der App mithilfe von Klarnamen nach Personen bzw. Freunden gesucht werden – oder auch der Zugriff auf die eigene Telefonkontaktliste aktiviert werden. Und da wäre auch schon der erste große Kritikpunkt, denn die App liest im Zuge dessen alle persönlichen Telefonkontakte aus.

Wurden die wichtigsten Kontakte hinzugefügt, kann es auch direkt losgehen. In einem Gruppenchat lassen sich bis zu sieben Freunde einladen, mit denen schließlich gechattet, gequatscht oder online gespielt werden kann.

Activity© houseparty.com/press/
© houseparty.com/press/

Unerwünschte Fremdkontakte

Ist der Gruppenchat nicht auf privat geschaltet, können sich auch Kontakte der teilnehmenden Chatfreunde dazuschalten, ohne dass die Ersteller des Chats diese persönlich kennen bzw. in ihrer Kontaktliste haben. Neben ungebetenen Überraschungsgästen ist man in der App leider auch nicht vor fremden Kontaktaufnahmen geschützt. Die Suchfunktion nach Kontakten ist nicht einschränkbar oder zu deaktivieren: mithilfe von Vor- und Zunamen bzw. dem Snapchat-Namen kann nach jeder/jedem gesucht werden. Dadurch erhöht sich das Risiko für Belästigungen, Cybermobbing oder auch Cybergrooming.

 

Mangelhafter Datenschutz

Auch in Sachen Datenschutz und Privatsphäre schneidet Houseparty nur mangelhaft ab. Ist der Zugriff auf die persönlichen Telefonkontakte aktiviert, werden die jeweiligen Daten ausgelesen, gespeichert und an Facebook weitergereicht. In den Gruppenchats besteht zudem die Möglichkeit, Screenshots und Fotos vom eigenen Bildschirm und damit auch von den anderen Chatteilnehmenden zu machen. Die abfotografierten Aufnahmen können gespeichert, aber auch über andere Social-Media-Dienste geteilt werden. Ob und was eine Person im Chat aufnimmt oder fotografiert, bekommen die restlichen Teilnehmenden nicht mit. Mit etwas Pech taucht somit das eigene Bild später im Netz auf.

Gerade junge Nutzerinnen und Nutzer sollten für diese Sicherheitslücken sensibilisiert und aufgeklärt werden, wobei insbesondere die Appbetreibenden in der Pflicht sind. Zwar ist das offizielle Mindestalter für die Nutzung der App bei 13 Jahren angesetzt, dennoch wird das Alter nicht explizit überprüft, wodurch auch Jüngere die App problemlos downloaden können.

 

Faszination TikTok

Neben Houseparty boomt aktuell jedoch auch eine andere App: TikTok – die virtuelle Musicalbühne, auf der sich jede/jeder inszenieren kann. Zwar gehört TikTok schon seit Längerem zu den beliebtesten Apps unter Kindern und Jugendlichen, dennoch erfährt die Plattform momentan einen beachtlichen Aufschwung. Gerade in den letzten Wochen wurde die App überdurchschnittlich oft in App-Stores heruntergeladen. Hinzu kommt, dass scheinbar wöchentlich eine neue TikTok-Challenge im Trend liegt.

Auf TikTok können kurze Musikclips aufgenommen und schließlich hochgeladen werden. Dafür gibt es in der App eine unzählige Menge an Lied- und Videovorlagen, die Nutzerinnen und Nutzer auf ihren eigenen Accounts imitieren können. Angesagt sind vor allem Sing- und Tanzvideos. Die jeweiligen Clips können entweder nur mit Freunden oder mit allen TikTok Nutzenden und damit der gesamten Netzgemeinde geteilt werden. Dabei ist die Devise: je mehr Publikum, desto mehr Aufmerksamkeit und potenzielle Likes. Neben der Selbstdarstellung bietet TikTok ebenfalls die Möglichkeit, durch Direktnachrichten miteinander zu kommunizieren oder sogenannte Livestreams zu starten.

Gerade junge Nutzerinnen und Nutzer sehen TikTok als Möglichkeit, ihren Idolen näherzukommen. In der App sind viele bekannte und beliebte Influencerinnen und Influencer vertreten, die oftmals auch die neusten TikTok-Trends vorgeben. Mithilfe der Livestream-Funktion bekommen Kinder und Jugendliche das Gefühl, in Echtzeit mit ihren Vorbildern kommunizieren zu können. Zudem räumt TikTok treuen Fans die Möglichkeit ein, Coins zu kaufen, die in bestimmte Geschenke umgewandelt und schließlich an die jeweiligen Idole verschenkt werden können. Gerade während Livestreams ist dieses Vorgehen beliebt.

 

Bild magnifying-glass-1607208 von Gerd Altmann auf Pixabay
Bild: Gerd Altmann @geralt auf Pixabay

Daten- und Jugendschutz auf TikTok

Neben versteckten Kostenfallen steht die App jedoch auch wegen mangelnden Datenschutzes in der Kritik. Um fleißig Videos hochladen zu können, braucht es einen eigenen Account, für den eine Telefonnummer oder eine E-Mail-Adresse angegeben werden muss. Alternativ lässt sich, wie auch auf Houseparty, eine Verknüpfung zu einem bestehenden Account auf Instagram oder Facebook herstellen. Die Konsequenz: Die gesamte Kontaktliste wird von TikTok ausgelesen und zusammen mit anderen Daten wie bspw. der IP-Adresse oder Inhalten gesendeter Nachrichten gespeichert.

Das offizielle Mindestalter für die Nutzung von TikTok ist auf 13 Jahre festgelegt. Dennoch wird das Alter nicht explizit überprüft. Zu vermuten ist, dass gerade Jüngere für eine sichere und datenschutzgerechte Nutzung der App noch nicht ausreichend sensibilisiert und informiert sind, sodass sich das Risiko für sexuelle Belästigung und/oder Cybergrooming erhöht.

Zudem polarisieren zurzeit fragwürdige „Challenges“, die Mutproben ähneln und mitunter gefährliche Konsequenzen nach sich ziehen können. So kursierten beispielsweise im Rahmen der „Corona-Challenge“ Videos, in denen Jugendliche sich beim Ablecken von öffentlichen Toilettensitzen und/oder Metallstangen in der U-Bahn filmen ließen. Das Gefährliche hierbei: es wird sich gegenseitig aufgefordert, die Challenge erfolgreich zu absolvieren. Jede/jeder, der dies tut, erfährt Anerkennung in Form von Likes und wohlwollenden Kommentaren. Ein Push für das eigene Selbstbewusstsein, das gerade für junge Nutzerinnen und Nutzer verlockend sein kann.

 

Risiken minimieren – Tipps zur sicheren Nutzung

Doch welche Möglichkeiten gibt es, TikTok sicher zu nutzen bzw. bestimmte Risiken zu umgehen? Eltern haben zunächst die Möglichkeit, auf dem Gerät ihres Kindes eine Altersbeschränkung im App-Store festzulegen. Klicksafe empfiehlt außerdem, den sogenannten „begleitenden Modus“ einzustellen. Hierfür muss die App sowohl auf dem Handy des Kindes als auch auf dem Gerät der Eltern installiert und beide Accounts miteinander verknüpft sein. Eltern haben durch diese Einstellung die Möglichkeit, die Bildschirmzeit als auch die Kontaktmöglichkeiten ihrer Kinder zu regulieren. Des Weiteren kann die eigene Reichweite eingeschränkt werden, indem nur Bekannte bzw. „App-Freunde“ die eigenen Videos sehen können.

Die App-Betreibenden haben mittlerweile auch ein höheres Mindestalter für Direktnachrichten eingeführt. Seit dem 30. April 2020 dürfen nur noch Nutzerinnen und Nutzer ab 16 Jahren Privatnachrichten schicken. Inwieweit diese neue Maßnahme jedoch in ihrer Umsetzung überprüft und das Alter tatsächlich abgefragt wird, ist fraglich.

Neben restriktiven Maßnahmen ist es aber vor allem wichtig, Kinder und Jugendliche für eine sichere Nutzung von Houseparty, TikTok und Co. fit zu machen. Entscheidend ist es, für Themen wie Datenschutz und Privatsphäre, aber auch über Risiken wie Cybergrooming zu sensibilisieren und Transparenz zu schaffen. Informationen zu den jeweiligen Apps sowie Tipps zur Medienerziehung finden Eltern beispielsweise in medienpädagogischen Onlineangeboten wie  Elternguide.online oder SCHAU-HIN!

 

Weitere Quellen und Artikel zum Nachlesen:

Über Lena Wandner

Lena Wandner studierte Kommunikationswissenschaft und Romanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Kinder- und Jugendmedien an der Universität Erfurt. Ihr Interesse gilt insbesondere der Medienwirkungsforschung und dem Jugendmedienschutz, weswegen sie sich auch für ein Praktikum bei der FSF entschied, zeitweise als freie Blogautorin arbeitete und in 2020 als Social-Media- und Bogredakteurin für die FSF tätig war.