Suchtgefahr!

Postings, Filter, Likes und Stories – ein bisschen Selbstinszenierung hier, viele kreative Ideen dort und das alles umrahmt von ganz vielen Hashtags. Herzlich Willkommen in der bunten Welt von Instagram: das digitale Fotoalbum, das weltweit zu den beliebtesten Social-Media-Diensten gehört. Doch wer und was zeigt sich eigentlich auf der Plattform, die allein in Deutschland 15 Millionen Nutzerinnen und Nutzer zählt? Welche Trends lassen die Likes- und Kommentarfunktionen heiß laufen, welche Themen werden wie ausgehandelt? Und was macht Instagram mit uns? In unserer neuen Blogreihe Insta-What? wollen wir den vielfältigen und facettenreichen „Insta-Kosmos“ ein wenig genauer unter die Lupe nehmen.

Der fünfte Text in unserer Beitragsreihe – geschrieben von Eva Lütticke – dreht sich um die Suchtgefahr.

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Wie Instagram unsere Aufmerksamkeit lenkt

 

Ein Ton erklingt, das Smartphone vibriert und leuchtet verheißend auf. Auf dem Bildschirm erscheint die Nachricht: annika_ hat dich in einem Kommentar markiert. Ab diesem Zeitpunkt ist der Griff zum Handy vorprogrammiert und wird die Person die nächsten 20 Minuten ihrer Zeit kosten. So lange scrollen wir durchschnittlich in der App, wenn wir diese erst einmal öffnen. Und es wird gewiss nicht das einzige Mal bleiben an diesem Tag und zwar aus folgendem Grund: Das oberste Ziel der App ist es, die Nutzenden so lange und oft wie möglich auf der Plattform zu halten. Die Zeit, die wir online verbringen, ist die Währung der sozialen Medien. Unsere Aufmerksamkeit ist das gewinnbringende Gut, welches an Werbeunternehmen verkauft wird.

 

Süchtig machende Faktoren auf Instagram

Streng genommen fängt es schon beim Design des Smartphones an. Das schmale, rechteckige Gerät fühlt sich kühl an, sieht hübsch aus und liegt optimal in der Hand. Wir tragen es ständig mit uns rum und fühlen uns ohne Gerät seltsam abgekapselt von der (Online-)Welt. Das Smartphone dient uns als Tor zu dieser Welt, als Fenster zum digitalen Hof auf dem sich Twitter, Facebook und Instagram tummeln. Jeden Tag prallen unzählige Steine in Form von Push-Nachrichten an unser Fenster, um unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen. Einmal in der App erhoffen wir uns durch Likes und Kommentare einen Dopaminrausch. Ein Glücksgefühl, das begleitet wird von dem Verlangen nach immer neuem und aktualisiertem Content. Jeder „Pull-to-Refresh“ (ein Wisch nach unten) bietet die Chance auf den Hauptgewinn. Manchmal belohnt uns der Algorithmus, manchmal nicht. In einem Ted Talk vergleicht Tristan Harris, ehemaliger Google-Mitarbeiter und Mitbegründer der Bewegung Time Well Spent, das Smartphone sehr treffend mit einem Spieleautomaten. Doch anstatt tatsächlich ein Casino aufzusuchen, haben wir den tragbaren Spieleautomaten in unserer Hosentasche. Der einarmige Bandit, der durch einen „Wisch“ ausgelöst wird. Was wird es als nächstes? Eine neue Schlagzeile im News-Feed? Ein neuer Like? Oder gar eine Benachrichtigung?

Durch die Gamification wird unser Belohnungssystem aktiviert und wir erleben positive Gefühle. Erhöht wird der rauschähnliche Zustand durch die Bestätigung von anderen Nutzenden, die mal mehr und mal weniger Herzchen verteilen. Das perfide: hier kommt es nicht nur auf die Ästhetik des Bildes oder auf den ansprechenden Text an, sondern es gibt viel mehr zu beachten, um Reichweite zu generieren. Die Uhrzeit des Postings spielt eine Rolle, außerdem wie aktiv ich selbst bin (also immer fleißig Herzchen an andere Bilder verteilen und kommentieren!), und dann ist da noch dieser scheinbar undurchdringbare Algorithmus der App, der sich ab und zu verändert, wodurch Beiträge der eigenen Followerschaft nicht angezeigt werden. Einige Influencer-/innen bemängeln dies immer wieder öffentlich, denn wenn dein Geschäft auf deine Sichtbarkeit auf Instagram aufbaut, ist es schön doof, wenn diese Sichtbarkeit unberechenbar ist. Ein Glücksspiel eben. Das auch vor den eher passiv agierenden Nutzenden keinen Halt macht. Denn wer selbst kaum postet, wird trotzdem lange in der App verweilen. Videoschleifen machen es möglich! YouTube war die erste Plattform, die  Viedoschleifen, also automatisch nacheinander abspielende Videos, einführte. Mittlerweile nutzen fast alle Plattformen diese Technik, um Nutzende möglichst lange zu binden.

 

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Ab wann ist es eine Sucht?

Im Durchschnitt verbringen Jugendliche in Deutschland drei Stunden pro Tag in den sozialen Medien (Studie DAK Gesundheit). Nicht jede Person, die online viel Zeit verbringt, ist auch süchtig. Es gibt bestimmte Kriterien, die mit Suchtverhalten einhergehen, wie beispielsweise Kontrollverlust und negative Konsequenzen, die über einen längeren Zeitraum anhalten. Journalist Patrick Garratt, selbstredend twitterabhängig, fasst es in einem Blogbeitrag für die Huffington Post treffend zusammen: „A key test of whether or not you’re addicted to something is to judge how it impacts your everyday life.“ Wie beeinflusst das eigene Nutzungsverhalten deinen Alltag? Leiden Hobbys, Arbeit oder Beziehungen unter dem ständigen Scrollen in der App? Ist sogar der Versuch, Instagram weniger zu nutzen, gescheitert?

 

Auswirkungen auf die mentale Gesundheit

Suchtforscherin und Psychologin Tagrid Leménager beschäftigt sich mit Verhaltenssüchten am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. In einem Onlinebeitrag des Orange Handelsblattes bestätigt Leménager die abhängig machenden Mechanismen von Instagram (und Facebook) und weist auf die negativen Auswirkungen hin: „Die ständige Nutzung führt zu Anspannung und permanentem Stress.“ Weiter erklärt sie, dass neumodische Krankheitsbilder wie Handy-Nacken oder SMS-Daumen nur erste Erscheinungen von Intensivnutzenden seien. Vieles deutet auf einen Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen und exzessiver Social-Media-Nutzung hin. Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen, Schlaflosigkeit und ein negatives Empfinden über das eigene Wohlbefinden können Auswirkungen sein. Auch die repräsentative Studie der DAK Gesundheit mit dem Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kinder- und Jugendalters (DZSKJ) bestätigt diese Erkenntnis. In einer Befragung von 1.001 Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren kamen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass 2,6 Prozent der Befragten süchtig nach Social Media seien. Hochgerechnet sind das in etwa 100.000 Betroffene in Deutschland und zwar nur Kinder und Jugendliche. Für diejenigen errechnete die Studie einen 4,6-fach höheren Faktor, an Depressionen zu erkranken als bei nicht abhängigen Personen. „Natürlich kann es auch sein, dass sich depressive Kinder und Jugendliche häufiger in die virtuelle Welt zurückziehen und deshalb ein Suchtverhalten entwickeln. In jedem Fall verstärken sich die beiden Faktoren, so dass eine ernste gesundheitliche Gefahr droht.“, so der Suchtexperte Professor Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am UKE.

 

Zehn Tipps für einen bewussteren Umgang

Es steht außer Frage, dass eine übermäßige und exzessive Nutzung sozialer Medien negative Auswirkungen hat. Auswirkungen, derer wir uns oft nicht bewusst sind, die uns im Alltag jedoch maßgeblich beeinträchtigen können. Deshalb folgen nun zehn Tipps, die helfen sollen, das eigene Verhalten zu hinterfragen und die Nutzung ein wenig zu regulieren.

  1. Push-Nachrichten ausstellen. Du entscheidest, wann du Instagram nutzen möchtest, nicht die App.
  2. Nutze einen Wecker anstelle des Handys, dann ist der erste Blick am Morgen nicht direkt auf den Bildschirm.
  3. Lege das Smartphone zu Hause in einen anderen Raum. Aus den Augen, aus dem Sinn.
  4. Profilen entfolgen, um sinnloses Scrollen zu vermeiden und lieber nur einer Handvoll ausgewählter Accounts folgen, die einen wirklich interessieren.
  5. App-Limits auf dem Smartphone einstellen.
  6. Die App vom Smartphone löschen und nur noch auf dem Desktop nutzen.
  7. Auch mal ohne Handy das Haus verlassen. Ja das geht!
  8. Ein Bewusstsein über das eigene Verhalten schaffen und kritisch hinterfragen, ob und wann es zu viel wird.
  9. Bildschirmzeit tracken. So kannst du ganz genau feststellen, wie lange, wann und wo du Instagram nutzt.
  10. Instagram komplett meiden.

 

In einer anderen Realität…

Was würde es bedeuten, wenn nicht mehr unsere Zeit die Währung der sozialen Medien wäre, sondern unsere Zufriedenheit? Eine „Usability“, eine Benutzerfreundlichkeit, die darauf abzielt, dass die Nutzenden schnell und einfach ihre Bedürfnisse stillen können. Mit Freunden, Bekannten und Followern kommunizieren, Inspiration erhalten und Beiträge posten – ohne ständig von der App dazu angehalten zu werden, mehr und mehr Zeit zu investieren. Kein „Push“, kein „Pull“, kein „Like“.

 

Quellen und Weiterlesen:

 

*** Lesetipps der Redaktion:
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Über Eva Lütticke

Eva studiert Medienwissenschaften an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Nebenbei arbeitet sie als freie Redakteurin und unterstützt das FSF-Team als Werkstudentin.