Die Mediennutzung der Heranwachsenden in Pandemie-Zeiten

Vorstellung ausgewählter Ergebnisse der KIM-Studie 2020

 

Trotz der anhaltenden Coronapandemie hat der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest auch in diesem Jahr seine Studie zur Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen für das Jahr 2020 veröffentlicht.

Für diese Ausgabe stellte sich die Frage, ob eine Erhebung unter den veränderten Bedingungen überhaupt sinnvoll sei. Doch nicht nur die kontinuierliche Veröffentlichung seit 1999, sondern auch die Wichtigkeit der Protokollierung dieser besonderen Situation sprach für eine Herausgabe. Vermerkt werden muss hierbei, dass der Befragungszeitraum aufgrund der verordneten Kontaktbeschränkungen vom sonstigen Frühsommer auf den frühen Herbst (31. August bis 14. Oktober 2020) verlegt wurde. Die persönliche Befragung der Familien fand demnach unmittelbar nach den Sommerferien statt. Zu diesem Zeitpunkt konnten die Kinder wieder weitgehend einem normalen Alltagsablauf nachgehen. Doch nicht nur die insgesamt 1.216 Kinder im Alter zwischen sechs und 13 Jahren, sondern auch deren Haupterziehende wurden befragt. Dabei gaben sie sowohl zu dem Medienverhalten ihrer Kinder als auch zu ihrem eigenen Auskunft.

 

Alles Neue macht Corona – Digitalisierung und der Schulalltag

Anders als in den Jahren zuvor wurden die Kinder erstmalig zu dem digitalen Bildungsangebot und ihrem Umgang mit Homeschooling befragt. Trotz geöffneter Schulen konnte nicht immer von einem normalen Schulalltag gesprochen werden. Als besonders schwer gestaltete sich der regelmäßige Austausch mit den eigenen Mitschülerinnen und Mitschülern sowie den Lehrenden. Dennoch gaben über die Hälfte (56%) der Schüler an, mindestens einmal pro Woche Kontakt zum Lehrpersonal aufgenommen zu haben. Deutlich geringer, mit 38 Prozent, fiel dabei die Kontaktaufnahme zu den Mitlernenden aus. Noch schwerer hatten es gut rund ein Fünftel der Kinder (21%), die keine Möglichkeit hatten, sich digital über schulische Aktivitäten zu unterhalten.

 

Kinder und ihre Medienkompetenz

In der Studie wurden die Heranwachsenden ebenfalls zu ihren Kompetenzen im Umgang mit unterschiedlichen Medien befragt. So sind zum Beispiel ca. zwei Drittel (67%) der Kinder im Alter zwischen sechs und 13 Jahren dazu in der Lage, selbstständig eine DVD abzuspielen. Dass es im Vergleich zur vorherigen Studie von 2018 zu einem leichten Rückgang der Zahl kam, kann mit großer Wahrscheinlichkeit den immer beliebter werdenden Streamingdiensten geschuldet sein. Weiterhin gaben die Kinder Auskunft darüber, inwiefern sie mit Endgeräten, beispielsweise Computern oder Smartphones, umgehen können. Knapp über die Hälfte kann sich selbstständig in das Internet einloggen. Ein leichter Anstieg, im Vergleich zu 2018, lässt sich u.a. bei dem Herunterladen von Apps (2018: 35%; 2020: 40%) verzeichnen. Nahezu unverändert bleiben die Zahlen beim Übertragen von Fotos auf den PC (2018: 28%; 2020: 30%) oder dem Download von Dateien aus dem World Wide Web (2018: 25%; 2020: 26%).

Neu hinzugenommen wurde u.a. die Frage, wie die Kinder auf Beiträge und Videos im Internet reagieren. In der oben genannten Altersgruppe sind 37 Prozent in der Lage, Bilder oder Videos zu posten bzw. Beiträge zu kommentieren (36%). 32 Prozent von ihnen sind imstande, diese zu „liken“.

Mit zunehmendem Alter der Heranwachsenden ist ein Anstieg der selbständig ausgeführten Tätigkeiten zu vermerken. Nebensächlich ist hierbei die Unterscheidung zwischen Mädchen und Jungen, da das Verhältnis bis auf wenige Ausnahmen ausgewogen ist.

 

Die Schattenseiten des World Wide Web

Dass die Nutzung der Medien auch Gefahren mit sich bringt, ist hinlänglich bekannt. Immerhin sieben von 71 Prozent der Internetnutzenden gaben an, schon einmal nicht altersgerechten Themen begegnet zu sein. Anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass Kinder im Alter zwischen 12 und 13 Jahren viermal häufiger mit ungeeigneten Inhalten in Kontakt kommen als beispielsweise Sechs- bis Siebenjährige. Dieses Phänomen lässt sich dadurch erklären, dass mit zunehmendem Alter auch die Nutzungsfrequenz steigt. Am häufigsten kamen die Kinder mit erotischen oder pornografischen Darstellungen in Berührung (54%), aber auch mit Gewalt (13%) und Horrordarstellungen (10%).

Die Resultate waren mit den Äußerungen der Haupterziehenden deckungsgleich. Unabhängig von den Altersgruppen wurden laut Elternaussagen 5 Prozent der Kinder schon einmal mit Gewaltdarstellungen, gefolgt von Pornografie oder problematischer Werbung konfrontiert. In Bezug zu dieser Thematik finden sich auch die bekannten Social-Media-Plattformen wieder. So haben z.B. rund ein Viertel der Befragten (24%) schon einmal eine unangenehme Internetbekanntschaft bei Instagram gemacht, gefolgt von Facebook (13%) – und TikTok, WhatsApp oder YouTube mit jeweils 7 Prozent. Beim Chatten allgemein erhielten schon 15 Prozent der befragten Heranwachsenden solche unerwünschten Kontaktanfragen. Insgesamt lässt sich innerhalb dieser Thematik im Vergleich zur Vorgängerstudie ein leichter Rückgang erkennen.

Bild: Pixabay

Fernsehnutzung

Nicht nur die Internetnutzung steht in der KIM-Studie im Fokus, sondern auch die Nutzung anderer Medien wie beispielsweise das Fernsehen. Bei den beliebtesten Freizeitaktivitäten rangieren immer noch Freunde treffen, Spielen im Freien und Sport vor dem Fernsehen. Allerdings bei der Mediennutzung erreicht das Fernsehen den ersten Platz; so geben 70 Prozent der Kinder an, jeden oder fast jeden Tag fernzuschauen. Interessant ist, dass sich die Haupterziehenden nicht nur zu dem Medienverhalten ihrer Kinder geäußert haben, sondern auch zu ihrem eigenen. Danach schauen sie täglich ca. 110 Minuten lineares Fernsehen (133 Minuten inkl. Streaming und YouTube).

Zudem wurden dieses Mal neben der Nutzung des klassischen Fernsehens auch Streamingdienste wie Netflix und Co. unter die Lupe genommen. Den Elternaussagen zufolge sehen ihre Kinder insgesamt ca. 122 Minuten Bewegtbildinhalte je Tag (ca. 68 Minuten täglich lineares TV, zusätzlich 24 Minuten tägliche Nutzung über Streamingdienste sowie 14 Minuten via TV-Mediatheken und 16 Minuten tägliches Anschauen der Fernsehsender über deren YouTube-Kanäle). Diese Zahlen variieren je nach Bildungsabschluss der Eltern. So dürfen 64 Prozent der Kinder (fast) täglich und 26 Prozent mehrmals in der Woche alleine fernsehen. Immerhin 37 Prozent nutzen YouTube, 23 Prozent schauen eine DVD/Blu-ray oder Sendungen bei Netflix und Disney+.

Ebenso ist das Fernsehen in der gemeinsamen Mediennutzung von Eltern und Kindern führend (59%). Dabei schauen 10 Prozent bestimmte Jugendsendungen, 8 Prozent Disney-Inhalte, und andere Sendungen wie Löwenzahn oder Shows wie DSDS werden von 7 bis 4 Prozent der Befragten eingeschaltet.

 

Wie lange ist lange genug?

Wie oben schon erwähnt, verweist die Studie darauf, dass das Nutzungsverhalten beim Medienkonsum der formalen Bildung der Erziehenden unterliegt. Eltern mit einem höheren Bildungsabschluss lassen ihre Kinder täglich durchschnittlich 58 Minuten Fernsehen, während bei Erziehenden ohne erweiterte Schulbildung der durchschnittliche Medienkonsum der Heranwachsenden 79 Minuten pro Tag ausmacht. Im Langzeitvergleich wird jedoch deutlich, dass das Schauen von Videos im Internet immer mehr Zuspruch findet.

Bei den vielfältigen Möglichkeiten der Mediennutzung heutzutage ist eine klare Regelung mit gezielten Absprachen erforderlich, gerade auch weil die Mediennutzung mit zunehmendem Alter der Heranwachsenden steigt. Drei Viertel der Erziehenden (76%) geben an, dass es klare Regeln hinsichtlich der anzuschauenden Inhalte gibt. Es wurden auch Absprachen zur Nutzung von Social-Media-Diensten oder zur Handynutzung unabhängig vom Alter der Kinder getroffen.

Viele der Eltern kommen bei dem Thema Mediennutzung jedoch in die Bredouille. Auf der einen Seite empfinden fast die Hälfte aller befragten Erziehenden (49%) den Umgang der Kinder mit dem Internet und Co. als unumgänglich. Dem gegenüber sind jedoch die damit verbundenen Risiken zu sehen, mit denen Kinder im Internet in Verbindung kommen und diese werden von 72 Prozent der Erwachsenen angegeben. Selbst dem Fernsehen wird noch von fast der Hälfte der befragten Eltern zugeschrieben, ungeeignete Inhalte für Kinder bereitzuhalten. Die Eltern stehen jedoch in der Verantwortung, abhängig vom Alter und dem Entwicklungsstand, ihre Kinder zu schützen. Dass ihnen dabei eine Vielzahl an Maßnahmen zur Verfügung stehen, wissen nur wenige. Zwischen 69 und 78 Prozent der Erziehungsberechtigten geben an, dass sie weder programmierbare Programme noch vorinstallierte Hilfsangebote zum Schutz nutzen (Jugendschutzsoftware, eingeschränkte Benutzerkonten etc.). Doch gerade dieser minimale Aufwand würde den Kindern und Jugendlichen Schutz bieten und einen altersgerechten Umgang mit den Medien ermöglichen.

 

Alles bleibt gleich

Die KIM-Studie hat trotz Coronapandemie auch für das Jahr 2020 einen Einblick in die Wichtigkeit der Medien für Heranwachsende und auch für Erwachsene gegeben. Erstaunlich dabei ist, dass trotz der veränderten Lebenssituation in vielen untersuchten Bereichen kaum Unterschiede zur Vorgängerstudie in 2018 im medialen Verhalten zu verzeichnen sind. Dennoch hält die Studie auch dieses Mal vor Augen, dass zum Beispiel beim Schutz der Kinder vor einer Begegnung mit unpassenden Inhalten noch deutlich mehr getan werden muss. Denn nur dann können auch die Jüngsten, sei es nun vor dem Fernseher oder dem PC, ohne Bedenken die digitale Welt erkunden.

 

Weitere Informationen zu den sonstigen Freizeitaktivitäten, dem Medienbesitz, zu den Idolen und Vorbildern der befragten Kinder und Jugendlichen sowie Informationen zu ihren Recherchekenntnissen und vieles mehr gibt es in der Originalstudie.

 

Quellen

Weitere Texte zu den bisherigen KIM-Studien: fsf blog

Über Sarah Boost

Sarah Boost hat Geschichte und Deutsche Literatur an der Humboldt Universität zu Berlin studiert. Ihr Interesse an Medien bewog sie dazu, ein Praktikum bei der FSF zu machen. Hier konnte sie ihrer Vorliebe für das Schreiben nachgehen. Als freie Autorin unterstützt sie weiterhin den fsf blog.