Authentisch, glaubwürdig, YouTube?

Ergebnisse des 6. ACT ON! Short Reports

 

Für Kinder und Jugendliche zählt YouTube mittlerweile zu den beliebtesten und wichtigsten Medienangeboten. Kein Wunder: schließlich bietet die Plattform mittlerweile alles, was das Zuschauerherz begehrt. Von Comedy über Do-it-yourself-Videos bis hin zu politischen und gesellschaftskritischen Informationsangeboten. Doch es sind nicht nur die Inhalte, die für Heranwachsende besonders spannend sind.

Bereits seit mehreren Jahren untersucht das JFF im Rahmen des medienpädagogischen Forschungs- und Praxisprojekts ACT ON! das Onlinehandeln von Heranwachsenden im Alter von zehn bis 14 Jahren. Der fünfte Short Report verdeutlichte, dass Kinder und Jugendliche YouTube und YouTube-Stars zur persönlichen Orientierung nutzen. Bekannte und reichweitenstarke YouTuber/-innen fungieren als Vorbilder und Inspirationsquelle. Doch hinterfragen Jüngere auch das Auftreten und die Inhalte ihrer YouTube-Idole? Für wie wichtig erachten Heranwachsende Glaubwürdigkeit und Transparenz? Diese Fragen wurden nun im sechsten ACT ON! Short Report untersucht. Hierfür wurden zwischen Juli 2018 bis Januar 2019 Gruppendiskussionen mit 85 Kindern zwischen zehn und zwölf Jahren geführt.

 

Glaubwürdigkeit von YouTuber/-innen hat hohen Stellenwert

Die Ergebnisse verdeutlichen: den befragten Kindern ist es sehr wichtig, dass YouTuberinnen und YouTuber glaubwürdig sind. Darunter fallen u.a. die authentische Präsentation von persönlichen Themen, aber auch Ehrlichkeit in puncto Werbung und Produktplatzierung. YouTube-Stars werden von Kindern und Jugendlichen häufig aufgrund ihrer guten Laune, ihrer witzigen Art und des positiven Auftretens bewundert. Umso wichtiger ist den jungen Zuschauerinnen und Zuschauern, dass sich ihre Idole nicht verstellen und sich stets entsprechend ihrer persönlichen Stimmung präsentieren. Transparenz und Ehrlichkeit fordern Kinder zudem bei der Präsentation bestimmter Sachinformationen, insbesondere wenn es um gesundheitsrelevante Themen wie Ernährungsempfehlungen oder Schönheitstipps geht.

 

Welche Vertrauenskriterien sind entscheidend?

Um die Glaubwürdigkeit bestimmter YouTube-Stars beurteilen zu können, beziehen sich die befragten Kinder auf verschiedene Kriterien. Diese basieren vor allem auf den eigenen Alltagserfahrungen, aber auch dem eigenen Medienwissen. So werden auffällige Bildbearbeitungen, Schnitttechniken und eine makellose, perfekte Inszenierung besonders häufig mit Unglaubwürdigkeit assoziiert. Wissens- und Informationskanälen, die auf die Expertise von Expertinnen und Experten zurückgreifen, wird besonders viel Vertrauen entgegengebracht. Hingegen werden sogenannte „Life-Hack“-Formate und Pranks trotz ihres Unterhaltungscharakters als unglaubwürdig wahrgenommen. Um nicht auf falsche Informationen oder unehrliche Produktversprechungen hereinzufallen, sehen die Kinder eine skeptische Grundhaltung und das Nachprüfen und Abgleichen von Quellen und Informationen als besonders essenziell.

 

Foto von cottonbro von Pexels
Foto von cottonbro von Pexels

Plattformrisiken aus Sicht der Kinder

YouTube wird aus Sicht der befragten Kinder mit verschiedenen Risiken assoziiert. YouTuberinnen und YouTuber, die bestimmte moralische und soziale Werte missachten, Menschen, Ressourcen oder Tiere achtlos behandeln oder einen besonders verschwenderischen Lebensstil vorleben, werden von Jüngeren als schlechte Vorbilder charakterisiert. Hier sehen sie vor allem für junge Kinder das Risiko, dass antisoziales Verhalten verherrlicht und ggf. kritiklos übernommen wird. Gleichzeitig sehen sie auf YouTube das Risiko, mit abstoßenden, ängstigenden Inhalten sowie öffentlichem Hass konfrontiert zu werden. Auch die Verletzung von Altersbeschränkungen wird als konkretes Risiko der Plattform benannt. Diesbezüglich sehen die jungen Nutzenden vor allem die Plattformbetreiber, aber auch die jeweiligen YouTuberinnen und YouTuber in der Pflicht. Entsprechend sollten ungeeignete Inhalte mit einer strengeren Altersbeschränkung versehen werden. YouTube-Stars, die vor allem ein jüngeres Publikum unterhalten, sollten sich zudem ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und auf altersgerechte Inhalte achten.

 

Kritische YouTube-Reflexion bietet Ansatzpunkte für die medienpädagogische Arbeit

Insgesamt zeigen die Ergebnisse des 6. Short Reports, dass Heranwachsende – entgegen vieler Vermutungen – YouTube und die jeweiligen YouTube-Stars durchaus kritisch rezipieren. Allerdings wird auch ersichtlich, dass die kindliche Grundskepsis vor allem bei den eigenen YouTube-Favoriten hinfällig ist. Überraschend ist dies nicht, schließlich bauen Heranwachsende zu ihren Idolen und Vorbildern eine Bindung auf, fühlen sich von diesen verstanden und können sich oftmals mit ihnen identifizieren. Dennoch sind die genannten Indikatoren für (Un-)Glaubwürdigkeit auf YouTube ein wichtiger Ansatzpunkt für die medienpädagogische Arbeit.

Entscheidend ist, dass die benannten Kritikpunkte und Risiken in medienpädagogischen Settings aufgegriffen und im Hinblick auf die eigene Mediennutzung kritisch reflektiert werden. Welche Botschaften vermitteln bekannte YouTube-Stars, welche Vermarktungsstrategien stecken in einzelnen Videos und welche Werte charakterisieren eine/-n verantwortungsbewusste/-n YouTuber/-in? Die Aushandlung dieser Fragen verlangt, dass Kinder und Jugendliche als Experten ihrer digitalen Lebenswelt ernst genommen werden und ihre Erfahrungen und Eindrücke äußern und teilen können. Handlungsbedarf zeigt sich jedoch auch auf Seiten der Plattformbetreibenden. Für Kinder und Jugendliche muss noch transparenter und verständlicher aufgezeigt werden, wie sie sich vor ungeeigneten Inhalten schützen können und welche Handlungsoptionen sie diesbezüglich haben.

 

7. ACT ON! Short Report erschienen

Inzwischen ist der siebte ACT ON! Short Report veröffentlicht worden, in dem der Frage nachgegangen wurde, wie Jugendliche TikTok wahrnehmen und nutzen. Zur Monitoring-Studie: „Du bist voll unbekannt!“ Selbstdarstellung, Erfolgsdruck und Interaktionsrisiken auf TikTok aus Sicht von 12-bis 14-Jährigen. ACTON! Short Report Nr. 7. Ausgewählte Ergebnisse der Monitoring-Studie. München: JFF –Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis.

 

Links/Quellen:

 

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Über Lena Wandner

Lena Wandner studierte Kommunikationswissenschaft und Romanistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Kinder- und Jugendmedien an der Universität Erfurt. Ihr Interesse gilt insbesondere der Medienwirkungsforschung und dem Jugendmedienschutz, weswegen sie sich auch für ein Praktikum bei der FSF entschied, zeitweise als freie Blogautorin arbeitete und in 2020 als Social-Media- und Bogredakteurin für die FSF tätig war.