Früh übt sich …

Kinder, Smartphones und das fehlende Bewusstsein für riskante Inhalte

 

Ein Leben ohne Smartphone ist in unserer heutigen Gesellschaft kaum vorstellbar. Diese Philosophie hat sich in den letzten Jahren nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern und Jugendlichen etabliert.

Laut einer Bitkom-Umfrage aus dem Jahr 2019 waren bei den Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 15 Jahren rund 95 Prozent im Besitz eines Smartphones oder Handys. Auch geht aus der Datenerhebung hervor, dass sich schon bei 6- bis 7-jährigen Kindern mit knapp 6 Prozent ein beachtlich hoher Anteil an Handynutzenden finden lässt. Ein Sprichwort besagt:

„Früh übt, was ein Meister werden will.“

(Friedrich Schiller)

Denn wer zeitig anfängt, sich mit moderner Technik und der schnelllebigen digitalen Welt auseinanderzusetzen, schafft schon früh eine Grundlage für die spätere Arbeitswelt. Doch wann ist die Anschaffung dieses technischen Spielzeugs wirklich sinnvoll? Dieser Frage müssen sich Eltern der „Generation Alpha“ früher oder später unweigerlich stellen. Da sich jedoch selbst Fachleute nicht auf eine patentreife Lösung festlegen können, muss jeder Erziehungsberechtigte letztlich selbständig eine Entscheidung treffen.

Primär sollten sich Eltern im Klaren darüber sein, das Smartphones nicht nur für den Notfall oder zum Telefonieren genutzt werden, sondern vor allem zum Surfen und Nachrichten versenden. Denn bei einer Quote von 95 Prozent besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Freunde und Schulkameraden ebenfalls über ein Smartphone, inklusive eines beliebten Messengers wie z.B. WhatsApp verfügen. Wurden alle Kontakte hinzugefügt, ist es ein Leichtes, Fotos oder Videos zu teilen oder sich im Browser durch das vielfältige Angebot an Websites durchzuklicken. Doch welche Risiken mit der Nutzung verbunden sind, ist den meisten nicht klar.

 

Riskanter Trend: Pornos- und Gewaltvideos

In den letzten Jahren hat sich ein besorgniserregender Trend unter Kindern und Jugendlichen entwickelt. Immer mehr Videos mit illegalem Inhalt wie Pornografie, Rassismus oder Gewalt lassen sich auf den Handys finden, ohne dass sich die Besitzenden darüber im Klaren sind, was sie dort zu Gesicht bekommen. Fast täglich werden solche Filmchen in Schülergruppen z.B. über WhatsApp geteilt. Werden diese Dateien schließlich geöffnet, bekommt der Empfänger bzw. die Empfängerin erschreckende Bilder zu sehen wie das Quälen von Tieren oder Menschen, und nicht selten zeigen diese Filme sexuelle Übergriffe auf Jugendliche. Kinder, die diese Dateien öffnen, können das Geschehen oftmals nur schwer verkraften. Mehrfach werden solche brisanten Nachrichten unter harmlos wirkenden „Links“ versendet, die auf den ersten Blick unbedenklich wirken. Doch nach dem Klick wird meist das ganze grauenvolle Ausmaß sichtbar. Dem ungeachtet werden solche Videos sowie rechtsextreme oder auch antisemitische Sticker immer wieder geteilt und weiterverbreitet, da sich Kinder und Jugendliche nur wenig Gedanken darüber machen, was erlaubt oder vielleicht schon strafbar ist.

Foto von Andrea Piacquadio von Pexels: Frau - Hand vor Augen - Angst - offener Mund

Foto von Andrea Piacquadio von Pexels

World Wide Web: kein rechtsfreier Raum

Was viele junge Menschen nicht wissen ist, dass nicht alle Inhalte, die sich im Laufe der Zeit auf dem Smartphone sammeln, auch erlaubt sind. Denn nicht jedes Video oder Foto ist so harmlos wie beispielsweise das Lieblingsvideo des eigenen Meerschweinchens. Gewaltverherrlichende oder pornographische Videos, im schlimmsten Fall mit jugendlichen Akteuren unter 14 Jahren, werden schnell geteilt, ohne einen Gedanken an die Folgen zu verschwenden.

Worüber sich viele nicht klar sind, ist, dass in Deutschland sowohl die Herstellung, der Besitz als auch die Verbreitung solchen Filmmaterials eine schwere Straftat (§184b Strafgesetzbuch) darstellt. Dies gilt jedoch nicht für Kinder unter 14 Jahren, die bis zu diesem Alter als „schuldunfähig“ gelten und nicht strafrechtlich verfolgt werden können. Das schließt jedoch nicht aus, dass die Polizei bei schweren Verstößen das Smartphone einbehalten und letztlich auch zerstören kann. Weiterhin kann die Polizei auch einen Vermerk speichern, der im Falle einer späteren Wiederholung negativ ausgelegt werden kann.

 

Prävention ist alles

Um Kinder vor solch einer Gefahr zu schützen, ist Prävention eines der wohl wichtigsten Themen in Bezug auf den sicheren Umgang mit dem Mobiltelefon. Hier liegt ein großer Teil der Verantwortung bei den Eltern. Mit der Anschaffung eines solchen Gerätes ist es wichtig, offene Gespräche mit den Kindern zu suchen. Solch eine Auseinandersetzung mit der Materie Internet und Handy kann helfen, sie für mögliche Gefahren zu sensibilisieren. Doch auch technische Hilfsmittel sollten unterstützend genutzt werden. Je nach Alter des Kindes sollten alternative Suchmaschinen (z.B. FragFinn, Helles Köpfchen, Blinde Kuh, weitere Informationen) als App installiert werden. Diese filtern die Suchergebnisse und vermeiden das Finden und Öffnen von nicht geeigneten Seiten. Wenn es doch einmal dazu kommt, dass sich ein illegales Video auf dem Smartphone der Tochter oder des Sohnes verirrt, ist es wichtig, dem nachzugehen und es nicht zu ignorieren. Handelt es sich bei dem Absender um eine/-n Freund/-in oder Klassenkameraden, sollte der Kontakt zu den Eltern des Versendenden hergestellt werden. Ein weiterer Schritt ist dann der Weg zur Polizei, die der Sache strafrechtlich nachgehen kann. 2019 hat das BKA bei knapp 4.900 Jugendlichen unter 21 Jahren pornografische Inhalte sichergestellt, was im Vergleich zum Vorjahr mit rund 1.700 Fällen ein deutlicher Anstieg ist.

Doch nicht nur Eltern müssen besser auf solche Eventualitäten vorbereitet werden. Die Medienbildung muss auch in den Schulen thematisiert und Lehrende durch Weiterbildungen geschult werden, um Kindern den verantwortungsvollen Umgang mit dem Internet nahezubringen. Dafür setzt sich auch die Polizei vermehrt ein, die mit Präventionsteams Aufklärungsarbeit in den Schulklassen leisten.

Dieser besorgniserregende Trend hat auch in der Politik für Aufmerksamkeit gesorgt. Familienministerin Dr. Franziska Giffey hat sich das Ziel gesetzt, Eltern und Lehrende durch das Jugendmedienschutzgesetz zu unterstützen. Dieses Gesetz soll u.a. Messenger wie WhatsApp mehr in die Verantwortung ziehen. Denn die vorhandenen Filter oder Meldefunktionen sind für einen umfangreichen Schutz der Kinder oftmals nicht ausreichend.

 

Jugendmedienschutz im Kampf gegen YouPorn und Co.

Kinder und Jugendliche haben oftmals nur wenige Hindernisse zu überwinden, wenn sie pornographisches Material schauen wollen. Der Jugendmedienschutz möchte nun bewirken, dass der Zugriff auf Plattformen wie YouPorn oder Mydirtyhobby deutlich erschwert wird. Diese Seiten, die zur Firmengruppe MindGeek gehören, haben ihren Hauptsitz jedoch nicht in Deutschland, sondern auf Zypern, was eine erfolgreiche Umsetzung des Jugendschutzes deutlich erschwert. Ein drastischer Versuch in Form einer Netzsperre für die besagten Seiten steht aktuell wieder zur Debatte. Schon 2008 versuchte die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen durch Netzsperren Kinderpornographie im Internet einzudämmen, jedoch ohne Erfolg.
Im Kampf gegen solche Seiten bleiben dem Jugendmedienschutz unterschiedliche Vorgehensweisen:
Im ersten Schritt wird das betroffene Unternehmen aufgefordert, sich an die deutschen Jugendschutzvorschriften zu halten. Dies kann z.B. durch die Einführung von Alterskontrollen, durch die Vorlage des Ausweises oder einen Video-Chat erfolgen. Wenn dieser Aufforderung nicht nachgekommen wird, sind die Medienanstalten in der Pflicht, die Provider zu kontaktieren, auf denen die kritischen Inhalte verweilen. Wenn das letztlich auch ignoriert wird, werden die Zugangsprovider wie beispielsweise die Telekom oder Vodafone informiert, um die Websites für Kunden zu sperren. Doch nach aktuellem Stand ist es eher unwahrscheinlich, dass MindGeek der Aufforderung nachkommt. So sehr der Weg einer Netzsperre in diesem Punkt vielleicht zusagt, ist sie in der Politik umstritten. Denn einmal angefangen, weiß niemand, wie es endet, Stichwort: China und Zensur.

Somit liegt momentan die Verantwortung bei den Eltern, der Medienbildung in den Schulen und natürlich den Jugendlichen selbst. Denn letztlich sind sie es, die die Tipps und Ratschläge zu Herzen nehmen müssen, um zu entscheiden, was richtig oder falsch ist.

 

Quellen:

Alle Links wurden zuletzt abgerufen am 14. August 2020

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Über Sarah Boost

Sarah Boost hat Geschichte und Deutsche Literatur an der Humboldt Universität zu Berlin studiert. Ihr Interesse an Medien bewog sie dazu, ein Praktikum bei der FSF zu machen. Hier konnte sie ihrer Vorliebe für das Schreiben nachgehen. Als freie Autorin unterstützt sie weiterhin den fsf blog.